12. September 2013

Auswirkungen der Standortverlegung der US-Streitkräfte nach Wiesbaden – Gesamtproblematik Militärflugplatz Erbenheim

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

zur Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 12. September 2013

 

Bis Herbst 2013 soll die Verlegung des Hauptquartiers der US-Streitkräfte von Heidelberg nach Wiesbaden abgeschlossen sein. Aktuell zeigt sich mit allen Konsequenzen, dass die LH Wiesbaden bei der Willkommenserklärung 2007 versäumt hat, komplexe Szenarien der Auswirkungen für Wiesbaden zu entwickeln und darauf basierend ein Gesamtprojekt der Stadtentwicklung zu initiieren.

Auf der US-Airbase Erbenheim wurden in den zurückliegenden Jahren größere Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Wiesbaden-Erbenheim wird in Zukunft zu den wenigen großen, ständig genutzten und mit größeren Einheiten und Verbänden belegten amerikanischen Militärstandorten in Europa gehören. Der US-Army wurden zum Ausbau des Airfield-Standorts hochwertige Ackerflächen um den Flugplatz zur Verfügung gestellt. Das ehemalige Areal des Militärflugplatzes wurde um etwa 41 Hektar erweitert und die darauf befindliche Infrastruktur ausgebaut.

Die Standortverlagerung hat erhebliche Auswirkungen sowohl durch die mit gesundheitsschädlichem Lärm und Absturzrisiko verbundenen Flugbewegungen als auch durch die raumbedeutenden Inanspruchnahme von Flächen. Eine Gesamtbetrachtung aller bereits stattfindenden und künftig zu erwartenden Aktivitäten ist daher überfällig. Darüber hinaus müssen Öffentlichkeit und betroffene Anrainer rechtzeitig und umfassend informiert und beteiligt werden.

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird gebeten,

eine Gesamtbetrachtung aller Auswirkungen, die durch die Verlagerung des Hauptquartiers der US-Streitkräfte nach Wiesbaden-Erbenheim absehbar sind, vorzulegen und sich in Verhandlungen mit dem Bundesverteidigungsministerium und der US-Army um den Zugang zu allen hierfür relevanten Informationen zu bemühen.

Hierbei sind vor allem die nachfolgenden Aspekte zu berücksichtigen:

 

1.    Flächenbedarf

Der Magistrat möge berichten:

1.1. Wie ist der Sachstand zur möglichen Übernahme der Flächen Kastel Housing Area und Storage Station in Kastel durch die LHW und zur damit verbundenen Bereitstellung von Ersatzflächen für die Army?

 1.2. Sind hierfür weitere Verfahren zur Landbesitznahme zu erwarten?

 1.3. Wenn ja, in welchem Bereich und in welchem Umfang?

 

 2. Zweite Zufahrt

In einem weiteren Verfahren der Landbesitznahme fordert die US-Army kurzfristig die Bereitstellung weiterer Flächen zur Errichtung einer zweiten Zufahrt zum Airfield. Der Bund beabsichtigt, den US-Streitkräften Flächen in der Größenordnung von 4,1 Hektar an der bestehenden US-Liegenschaft Army Airfield nach den Bestimmungen des Landbeschaffungsgesetzes zur Verfügung zu stellen. Die Stadt fordert in ihrer am 14. Dezember 2011 dazu abgegebenen Stellungnahme, dass zunächst ein Entwicklungskonzept für den Gesamtbereich des Flugplatzes vorgelegt werden muss, um mögliche Auswirkungen und Folgelasten einer Intensivierung der Nutzung einschätzen zu können. Weiterhin fordert die Stadt, die Inanspruchnahme weiterer landwirtschaftlicher Flächen zu vermeiden. Dargelegt wird außerdem, dass eine Erschließung über Wiesbaden-Erbenheim abgelehnt wird. Ein solches Konzept liegt der Stadtverordnetenversammlung bis heute nicht vor. Auch wurden die in diesem Zusammenhang gestellten Fragen bislang nicht beantwortet.

 Der Magistrat wird gebeten,

einen Stadtteilverkehrsentwicklungsplan für Erbenheim gemeinsam mit dem Ortsbeirat zu erstellen, in dem die Auswirkungen des Airfield-Ausbaus zusammen mit allen anderen in Erbenheim geplanten Maßnahmen berücksichtigt werden. 

 

3. Druck auf den Wohnungsmarkt

Wie mehrfach in den Medien berichtet, verschärft der Zuzug von Angehörigen der US-Armee den Druck auf dem freien Wohnungsmarkt. Wenn die US-Army als zuverlässiger und solventer Mieter auftritt, fallen eventuell viele andere Bewerber bei der Wohnungssuche hinten runter.

Der Magistrat möge berichten,

3.1. ob ihm bekannt ist, in welchem Umfang private Mietverhältnisse mit der US-Armee abgeschlossen werden bzw. ob dies erhoben werden soll.

3.2. welche Möglichkeiten er sieht, den Verdrängungen auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken.

 

4. Überlassungs- und Nachtragsvereinbarung

 Nach der im Frühjahr 2013 zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und dem US-Heereshauptquartier ausgehandelten Nachtragsvereinbarung zur Liegenschaftsüber-lassungsvereinbarung ist die Anzahl der jährlich zulässigen Flugbewegungen auf max. 20.000 und die der stationierten Luftfahrzeuge auf max. 40 begrenzt.

Der Magistrat wird gebeten,

die ursprüngliche Überlassungsvereinbarung und die dazu ergangene Nachtragsvereinbarung der Stadtverordnetenversammlung zugänglich zu machen und zu erläutern.

 

5. Geheimdiensttätigkeit

Die am Airfield stationierte 66th Military Intelligence Brigade ist eine Abteilung des Nachrichtendienstes der US-Army.

Hierzu möge der Magistrat berichten:

Liegen dem Magistrat Informationen vor, ob diese Einheit mit dem US-Auslandsgeheimdienst NSA kooperiert und Daten sammelt um diese gemeinsam mit der NSA verwertet?

 

6. Drohnensteuerung

Laut Medienberichten spielt der US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein eine essentielle Rolle bei der Steuerung von US-Drohnen bei Auslandkampfeinsätzen. Über eine Satellitenanlage in Ramstein soll die US-Army Kontakt zu den Kampfdrohnen halten.

Hierzu möge der Magistrat berichten:

Kann der Magistrat ausschließen, dass die 66th Military Intelligence Brigade mit ihren Aufklärungsbemühungen mittelbar oder unmittelbar zur Erfassung von Informationen beiträgt, die andernorts in die Einsatzplanung von Kampfdrohen der US-Army einfließen, welche zum Teil eine gezielte Tötung von Verdächtigen zum Ziel haben?

 

7. Bewaffnete Trainingsflüge

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat aus gut informierten Kreisen Hinweise erhalten, dass eine Reihe von Trainingsflügen mit voller Bewaffnung (bzw. scharfer Munition) durchgeführt würden.

Der Magistrat wird gebeten,

7.1. mitzuteilen, ob ihm Informationen zu bewaffneten Trainingsflügen vorliegen.

7.2 wenn nein, mit dem Bundesministerium der Verteidigung und den US-Streitkräften in Kontakt zu treten, um diesen Sachverhalt aufzuklären.

7.3. wenn ja, mitzuteilen, welche Konsequenzen sich daraus für den zukünftigen Flugbetrieb am Militärflugplatz Wiesbaden Erbenheim ergeben, insbesondere bezüglich der Sicherheit für die Wiesbadener Bevölkerung.

 

8. Flugspuren

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) stellt auf ihrer Homepage die Flugspuren der An- und Abflüge am Flughafen Frankfurt dar. Aufgrund der zunehmenden Flugbewegungen am Airfield Erbenheim wäre es ratsam, die dort startenden und landenden Flugzeuge ebenfalls durch das System der DFS erfassen zu lassen und auf deren Homepage zu veröffentlichen. Ersatzweise könnten auch die US-Streitkräfte bzw. die Stadt die Veröffentlichung der Daten übernehmen. Ein solcher Schritt wäre ein wichtiges Signal für mehr Offenheit und Bürgernähe. Dies kann nach Einschätzung unserer Fraktion auch unter Berücksichtigung militärischer Sicherheitsinteressen geschehen, wenn z.B. auf detaillierte Angaben wie den Zielflughafen verzichtet wird.

Der Magistrat wird aufgefordert,

mit dem Bundesverteidigungsministerium und den US-Streitkräften entsprechende Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, eine Dokumentation der Flugbewegungen des Army-Airfields durch die Deutsche Flugsicherung zu ermöglichen.

 

9. Wissenschaftliche Bewertung der durch Fluglärm hervorgerufenen gesundheitlichen Risiken

Der vom Umweltamt dem Ausschuss für Umwelt, Energie und Sauberkeit am 7. Mai 2013 präsentierte „Lärmminderungsplan für den Flugplatz Erbenheim“ liefert Datenmaterial, das ohne weiteren Verzug genutzt werden sollte, um ein medizinisches Fachgutachten zu den von diesem Schallereignissen ausgehenden gesundheitlichen Risiken für besonders exponierte Gruppen der Wiesbadener Bevölkerung erstellen zu lassen. In die Bewertung sind bereits vorhandene Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm mit einzubeziehen.

Der Magistrat wird aufgefordert,

ein medizinisches Fachgutachten über die gesundheitlichen Risiken in Auftrag zu geben.

 

10. Nachtflugverbot

Der Ausschuss für Umwelt Energie und Sauberkeit hat am 18. Juni 2013 folgenden Beschluss (Nr. 0117) gefasst: „Die Stadtverordnetenversammlung unterstützt weiterhin das Bemühen des Magistrats auf dem Wege der Verhandlungen, alle rechtlichen Schritte zu unternehmen, um auf die US-amerikanischen Streitkräfte einzuwirken, dass die Lärmauswirkungen durch Fluglärm – besonders in den Zeiten zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr verringert werden.“ Dieser Beschluss muss weitergehend gefasst werden.

Der Magistrat wird aufgefordert,

ein uneingeschränktes Nachtflugverbot zwischen 22:00 und 6:00 zu erwirken.

 

11. Information und Bürgerversammlung

Der Magistrat wird gebeten,

11.1. den Stadtverordneten in einem Gesamtbild alle Auswirkungen zu erläutern, die sich durch die Verlagerung des Hauptquartiers der US-Streitkräfte nach Wiesbaden-Erbenheim ergeben, inklusive der bereits in den Ausschüssen behandelten Teilaspekte. 

11.2. zeitnah eine Bürgerversammlung zu veranstalten, bei der die Bürgerinnen und Bürger umfassend über die Entwicklungen und Auswirkungen aufgrund der Verlagerung des US-Hauptquartiers nach Wiesbaden-Erbenheim informiert werden.