18. Dezember 2014

„Kein Ausstieg aus dem Kulturfonds!“

Rede der Stadtverordneten Dorothea Angor von Bündnis 90/Die Grünen zu TOP 8 „Verbleib im Kulturfonds Rhein-Main“, Antrag der FDP-Stadtverordnetenfraktion, in der Stadtverordnetenversammlung am 18. Dezember 2014:

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

im Februar 2012 saßen wir hier in der Stadtverordnetenversammlung schon einmal zusammen, um über Sinn und Zweck einer Mitgliedschaft im Kulturfonds zu debattieren. Mit großer Mehrheit haben wir damals einem Beitritt zugestimmt.

In der betreffenden Vorlage empfahl der von der CDU/SPD-Koalition geführte Magistrat uns Stadtverordneten – ich zitiere wörtlich:

„Der Beitritt ermöglicht die Durchführung von Kulturprojekten, die bisher über das Kulturbudget nicht abgedeckt werden konnten, insbesondere wenn deren Wirkung und Bekanntheit über die Stadt und die Region hinausgeht. Dadurch werden Kooperationsprojekte möglich, von denen die Wiesbadener Kultur bislang ausgeschlossen war. Vor allem gibt es weit reichende Werbemöglichkeiten aus dem Verbund dieser Projekte, an denen Wiesbaden bisher nicht partizipieren konnte.“

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, jetzt laut darüber nachdenken, aus dem Kulturfonds auszutreten, nehmen sie billigend in Kauf, dass Großereignisse in Wiesbaden nicht mehr möglich wären. Es ist eine Binsenweisheit, dass die Mitgliedschaft im Kulturfonds die Voraussetzung dafür ist, dass die LHW weiterhin eine Rolle auf der kulturellen Landkarte spielt.

Beispiel Landesmuseum: die großen Projekte der Vergangenheit konnten nur damit realisiert werden und die zukünftigen würden dann wegfallen.

Der erfolgreiche Leiter des Museums, Dr. Alexander Klar, der jüngst erst die Besucherzahl von 100.000 geknackt hatte, sieht das Museum schon „in die Provinz zurückfallen“.

Der Kulturfonds unterstützte allein Großprojekte wie die Expressionismus-Schau mit 700.000 Euro oder mit 550 000 Euro 2013 die Rheinromantik-Ausstellung. Allein das ist mehr, als der jährliche Beitrag der Stadt zum Fonds kostet.

Der Vorwurf der CDU, „Wiesbaden zahlt die Zeche. Das Land schmückt sich“, ist purer Populismus. Es sind die Wiesbadner, die in das Museum gehen und die Touristen lassen viel Geld in der Stadt.

Anrede,

lassen Sie mich noch auf etwas hinweisen:

Nicht nur elitäre Kunst, die in den Augen mancher von Ihnen vielleicht vernachlässigbar ist, wird vom Kulturfonds gefördert, sondern mittlerweile gibt es z.B. auch das breit aufgestellte Jugendprogramm „kunstvoll“.

Hier können zahlreiche vielversprechende Kulturpartnerschaften erfolgreich zusammenarbeiten. Wiesbaden hat beispielsweise ein Projekt mit dem Frankfurter Theater Willy Praml und der Integrierten Gesamtschule Kastellstraße oder eine Kooperation mit der Wolfram-von-Eschenbach-Schule mit der JVA Wiesbaden.

Insgesamt sind es fast 70.000 Euro, die allein im Rahmen von „kunstvoll“ in Wiesbaden ausgeschüttet wurden.

Noch im Juli 2014 empfahl der Magistrat in einer Vorlage zum Stadtmuseum: „Es ist davon auszugehen, dass sich mit Realisierung des Neubaus Stadtmuseum zusätzliche Möglichkeiten für die LHW ergeben, für besondere Ausstellungen Fördermittel des Kulturfonds zu akquirieren.“

Weniger als ein halbes Jahr später wird aber ebenjenes Stadtmuseum von Ihnen als Grund für den Austritt aus dem Kulturfonds angeführt. Und nur wenige Tage später verkünden Sie plötzlich, dass Sie das Stadtmuseum beerdigen wollen. Anstatt dann aber weiter im Kulturfonds verbleiben zu wollen, verharren Sie bei Ihrem alten Standpunkt: die Mitgliedschaft komme nun auf den Prüfstand.

Anrede,

was für eine abenteuerliche Achterbahnfahrt, was für eine kaum noch zu verstehende Gedankenspirale der Regierungskoalition erleben wir denn hier! Wenn ich ehrlich bin, wähne ich mich schon längst kulturpolitisch in einer Geisterbahn!

Geht es Ihnen, meine Damen und Herren von der Koa, letzten Endes darum, aus ALLEM auszusteigen? Aus dem Stadtmuseum UND aus dem Kulturfonds. Aus dem Pariser Hof UND aus dem Kultursommer?

Es scheint vermeintlich leicht zu sein, bei der Kultur zu sparen, man könnte gar meinen, Kultur sei in Wiesbaden immer das Erste, was „hinten herunterfällt“. Aber wir meinen: Geld für die Kultur bereitzustellen ist genauso wichtig wie anderes in der Daseinsvorsorge.

Die Projekte des Kulturfonds werden überall gelobt. Das Anliegen dieses Verbunds ist es, Themen aufzugreifen, die die ganze Region verbinden. Als überaus gelungene Beispiele kann man die bereits erwähnten Projekte „Phänomen Expressionismus“ und „Impuls Romantik“ mit Veranstaltungen im ganzen Rhein-Main-Gebiet anführen.

Die LHW engagiert sich seit ihrer Mitgliedschaft im Kulturfonds für die ganze Region und damit auch für alle Bürger und stärkt so nicht zuletzt auch den andernorts immer wieder geforderten Regionalgedanken.

Ich möchte Sie eindringlich davor warnen, aus dem Kulturfonds auszusteigen, das Geld rauszuziehen, um dann wieder vermehrt ein „eigenes, provinzielles Kultursüppchen“ zu kochen.

Erfolgreiche Kulturpolitik braucht Verbündete, braucht Raum und Freiheiten. Und keine Beschränkung oder gar Mauern: Weder in den Köpfen noch in den Herzen!