20. November 2014

„Ohne Windkraft kein Klimaschutz, ohne Klimaschutz kein Naturschutz“

Rede des Stadtverordneten Ronny Maritzen von Bündnis 90/Die Grünen zu TOP 4 „Windkraftvorhaben der ESWE Taunuswind GmbH – Zielabweichungsverfahren“ in der Stadtverordnetenversammlung am 20. November 2014:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Stadtverordnetenvorsteher, gestatten Sie mir eine Bemerkung zu Beginn: ich werde die Vokabel „Lesselallee“ gebrauchen und bitte jetzt schon um 30 Sekunden Zuschlag für die dann im Plenum einsetzende Unruhe am Ende meiner Redezeit.

Das Projekt „Windkraft auf dem Taunuskamm“ ist hinlänglich bekannt, breit diskutiert und in einigen Kreisen umstritten. Es ist hier nicht der Ort und die Zeit, um eine erneute Grundsatzdiskussion vom Zaun zu brechen.

Wobei, bei genauerem überlegen, es geht hier um Grundsätzliches!

Wir alle hier im Raum haben das Glück, irgendwann nach dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in einem hochentwickelten Land geboren worden zu sein. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, in der spektakuläres Wirtschaftswachstum zur Normalität gehört. Neben Wirtschaftswachstum sind aber auch der Materialverbrauch und die Zerstörung von Naturressourcen rapide gewachsen. Das ist Fakt!

Wir leben statistisch so, als ob wir 2,6 Ausgaben unseres blauen Planeten zur Verfügung hätten. Aber, ich glaube, diese Aussage ist auch hier mehrheitsfähig, wir haben nur einen blauen Planeten.

Wir sind also aufgefordert, etwas zu ändern! Auch hier in Wiesbaden! Wir haben uns das bekannte Ziel 20/20/20 gesetzt, also wollen wir bis in 6 Jahren unseren Energiebedarf um 20% reduzieren und den Anteil der Erneuerbaren Energien im gleichen Zeitraum auf 20% steigern. Es gibt die klare Aussage, und ich habe auch noch nichts belastbar Gegenteiliges gehört, dass wir ohne das Projekt „Windkraft auf dem Taunuskamm“ diese Ziele nicht erreichen werden.

Und was machen wir? Wir diskutieren darüber, ob Windräder schön sind. Wir diskutieren über Zerstörung von Landschaftsbildern. Ja, und wir diskutieren über Grundwasser. Das ist alles wichtig und richtig. Aber wir müssen akzeptieren, dass wir etwas ändern müssen.

Warum fällt uns das so schwer? Nun, weil wir Menschen sind. Langfristiges Denken über Jahrhunderte, oder nur mehr als eine Generation, fällt uns allen schwer. Das ist eine evolutionsbiologische Tatsache. Das was wir hier heute erleben, die Überschwemmungen, die das Wiesbadener Kurhaus unter Wasser gesetzt haben, das sind die Folgen der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung, die in den fünfziger Jahren startete. Ebenso wird es wieder weitere 40-50 Jahre dauern, bis das was wir heute tun, was wir hoffentlich tun!, wirksam wird. Denn wenn wir es nicht tun – dann gnade uns Gott!

Nach diesen doch mehr grundsätzlichen Ausführungen möchte ich zum Schluss meiner Rede doch noch das Versprechen erfüllen und die Lesselallee ins Spiel bringen.

Uns Grünen wird immer wieder vorgeworfen, dass wir einerseits wie die Löwen für Bäume kämpfen, Sie wissen alle wovon ich rede, und andererseits zulassen, dass auf dem Taunuskamm für die Windkraftanlagen viele Bäume fallen werden.

Ja, das ist richtig. Und aus unserer Sicht (leider) erforderlich. Wir haben uns innerhalb der Fraktion und innerhalb der Partei sehr kontroverse, lebhafte und auch durchaus kernige Diskussionen darüber geliefert, ob das richtig ist.

Am Ende ist alles eine Frage der Abwägung. Wiegen die mittel- und langfristigen positiven Effekte der Windkraft die zweifelsohne vorhandenen Eingriffe in die Natur auf? Wir Grüne denken ja. Das Projekt Windkraft auf dem Taunuskamm hilft, in einem nicht unerheblichen Maße den Klimakiller CO2 zu reduzieren.

Ohne Windkraft kein Klimaschutz. Ohne Klimaschutz kein Naturschutz. Die Bäume, die auf dem Taunuskamm fallen, fallen nicht sinnlos.

Ich habe Respekt vor jedem, der anderer Ansicht ist.

Er oder sie ist zu einer anderen Abwägung gekommen. Ich habe es nicht geschafft, ihn oder sie von meiner politischen Wahrheit zu überzeugen. Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, dass Wahrheit eine soziale Übereinkunft sei. Da ist was dran. Die Wahrheit der Grünen ist, dass 5 % der Waldfläche, die Hessen Forst jedes Jahr an Holzeinschlag auf dem Taunuskamm vornimmt, es wert ist, Platz zu machen für die Windräder, die dann 20.000 Wiesbadener 3-Personen Haushalte mit Strom versorgen werden. Nachhaltig, ohne eine Rechnung vom Wind geschickt zu bekommen und ohne fossile Energie zu verbrauchen!

Ja. Dieses Opfer tragen wir schweren Herzens. Weil es übergeordneten Zielen dient und uns hier in Wiesbaden ein Stück weit unserer Verantwortung für die Zukunft der nächsten Generationen gerecht werden lässt!