18. Juli 2014

Rede des Stadtverordneten Claus-Peter Große zu TOP 6 „Mountainbike-Strecke Schläferskopf – Eignungskriterien und Nutzungsvertrag“

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren,

wissen Sie, dass wir uns in einer ganz besonderen Woche befinden? Nein? Nun, es ist die erste Wiesbadener Waldwoche, ein guter Anlass über unser Verhältnis zum Wald nachzudenken.

Meine Damen und Herren, der Wald erfüllt vielfältigste Funktionen, was voraussetzt,  dass das ökologische System Wald als Ganzes funktioniert. Die wirtschaftliche Nutzung, aber auch die freizeit- und sportbezogene Waldnutzung muss daher immer einem Abwägungsprozess unterliegen.

Dies vorausgeschickt, möchte ich zunächst grundsätzlich anmerken:

Wir Grüne unterstützen bekanntermaßen das Radfahren – auch als sportliche Betätigung in der Natur unseres schönen Stadtwalds. In unserem Parteiprogramm steht sogar ausdrücklich, dass wir jungen Sportarten wie Downhill Raum geben wollen – allerdings – uns das ist entscheidend – unter Beachtung Grüner Grundsätze wie der Forderung nach Umweltverträglichkeit und nachhaltiger Ausgestaltung.  Daher sind mögliche Folgewirkungen entsprechender Planungen genau zu untersuchen und abzuwägen.

Und damit kommen wir zum Kern meiner Rede, einem, das will ich vorwegnehmen, Wiesbadener Trauerspiel in 3 Akten.

Akt 1: der Rückblick auf ein langes, aber gutes Verfahren

Bevor die Stadtverordnetenversammlung am 6. September 2012 die Mountainbike-Strecke an der Platte beschlossen hat, hatte ein Runder Tisch 2 1/2 Jahre lang insgesamt 14 Streckenvarianten geprüft, hatte die Vor- und Nachteile vor allem aus sportlicher und aus naturschutzfachlicher Sicht abgewogen und war zu einem einvernehmlichen Kompromiss gekommen. Ich darf aus drei Stellen der damaligen Vorlage zitieren:

1 „Die Eingriffe in die Natur sollten so gering wie möglich gehalten werden. Eignungskriterien waren die Lage im Waldgebiet (guter Zugang, wenig Wegkreuzungen, gute Parkplatzanbindung, Zugang für Rettungsfahrzeuge, Rücksichtnahme auf Wanderer etc.) und vor allem die zu berücksichtigenden naturschutzrechtlichen Vorgaben (Artenschutz, Baumbestand, FFH–Gebiete, Gewässerschutz, Bannwald).“

2 „Der Streckenverlauf wurde bewusst in einen Bereich mit großer Freizeitnutzung gelegt und wird parallel neben oder entlang bereits bestehender Wege geführt und ausgebaut.“

3 „Darüber hinaus hat das Streckenprofil im Abfahrtsteil ein moderates Gefälle, so dass er als eine attraktive Strecke für den Freizeitsport bezeichnet werden kann, mit dem aber auch der Vereinssport gut leben kann.“

Diese Vorlage wurde ins Genehmigungsverfahren gegeben und lag dann erst einmal im Regierungspräsidium Darmstadt auf Eis, weil man dort erst die Regelungen zum Radfahren im neuen Waldgesetz abwarten wollte. Das Gesetz liegt jetzt vor und so könnte man das Genehmigungsverfahren für die Platte-Strecke zügig zum Abschluss bringen.

2. Akt: das dunkle Hinterzimmer

Stattdessen diskutieren wir jetzt eine ganz andere Strecke. Eine Strecke, die im Spätjahr 2013 plötzlich aus dem Hut gezaubert wurde und damals auch im Sportausschuss berechtigte Irritation ausgelöst hat. Nun soll nämlich die seit Jahren illegal am Schläferskopf ausgebaute Downhill-Strecke legalisiert werden, dieser Teil wird jetzt verschämt als „oberer Streckenteil“ bezeichnet, ist aber 1:1 die bislang illegale Route. Und warum tut man das? Weil es seit Jahren nicht gelingt, diese Piste stillzulegen. Sie ist nämlich steiler und damit für Downhiller attraktiver als die Platte-Strecke. Meine Damen und Herren, das ausschlaggebende Eignungskriterium für diese Strecke heißt: „Wir kriegen das illegale Fahren dort nicht in den Griff!“ Alles andere wird gar nicht mehr thematisiert. Wir wissen nur, dass es nach zwei Runden Tischen am 7. März einen Ortstermin mit dem Sportamt, dem Forstamt, dem Umweltamt, dem RP und den Gravity-Pilots gegeben hat. Die lapidare Schlussfolgerung hieß, dass alles schon so in Ordnung geht.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: in dieser Vorlage zur Schläferskopfstrecke geht es nur noch um eine möglichst problemlose Realisierung (Stichwort „pragmatisch“), die dadurch gegeben ist, dass hier eine bereits ausgebaute Strecke besteht, dass die Strecke bei den (Downhill-) Mountainbikern bereits etabliert ist, dass man mit der Stilllegung daher überfordert ist  und dass Hessen-Forst durch die Besitzverhältnisse nicht mehr beteiligt werden muss, was die Abstimmung im Genehmigungsverfahren vereinfacht. Kurz gesagt: Es ist einfach nur der Weg des geringsten Widerstands.

Kann auf dieser Grundlage eine nachvollziehbare, abgewogene und in den Abwägungskriterien transparente Entscheidung gefällt werden? Wir Grüne sagen: Ganz sicher nicht!  Und wir fragen: „Liegt hier ein transparenter Entscheidungsprozess im Sinne der Forderung von Herrn Oberbürgermeister Gerich zugrunde? Oder wurde hier nicht  eine Planung im Hinterzimmer gemeinsam mit bestimmten Interessengruppen ausgekungelt?“

Dass sich hier die Downhill-Biker auf ganzer Linie durchgesetzt haben, liegt auf der Hand, das zeigt ja schon die Tatsache, dass der Streckenvorschlag von ihnen stammt. Das Eignungskriterium „Downhiller werden ihren Spaß haben“ ist also bestens erfüllt. Im Gegensatz dazu: Die Eignung auch für den normalen Freizeitradler steht ganz offensichtlich nicht mehr im Fokus, das hat eine Begehung von Mitgliedern unserer Fraktion gezeigt.

Aber was ist mit den anderen Kriterien?

Wie sieht es zum Beispiel aus mit dem Wasser- und Bodenschutz? Wir haben uns die bestehende illegale Strecke oder vielmehr das ganz Streckennetz am Schläferskopf vor Ort angesehen: Der Boden ist hier heute schon stellenweise bis auf das darunterliegende Gestein abgefahren. Nun liegt aber die gesamte Strecke – übrigens im Gegensatz zu der Platte-Strecke – in der Wasserschutzzone II. Ich zitiere aus der Schutzverordnung für die Zone 2:

–       „Verboten sind: jegliche über die land- und forstwirtschaftliche Bearbeitung hinausgehenden Bodeneingriffe, durch die die belebte Bodenzone verletzt oder die Deckschichten vermindert werden.“

–       „Verboten sind Sportanlagen.“

Welche Auswirkungen wird eine den Plänen nach im unteren Teil neu auszuweisende Mountainbikestrecke in einem bis dato vergleichsweise ruhigen Waldgebiet haben, einem potenziellen Rückzugsraum für empfindliche Tierarten wie zum Beispiel die Wildkatze?

Diese Problematik wurde bereits Anfang 2012 vom Naturschutzbeirat angesprochen und immerhin fünf Naturschutzverbände forderten damals gemeinsam mit dem Jagdverein Wiesbaden eine Artenschutzuntersuchung und den Verzicht auf Wettkämpfe. Da fällt mir ein – wurde der Naturschutz zur Strecke Schläferskopf überhaupt beteiligt?

Meine Damen und Herren, um es noch einmal ganz klar zu sagen: Wir Grüne haben überhaupt nichts gegen eine verträgliche Mountainbikestrecke mit Downhill-Abschnitt für Freizeitsportler. Dabei dürfen aber andere gerade im Wald wichtige Belange nicht unter die Räder kommen.

3. Akt: die traurige Zukunft

Die jetzt diskutierte Vorlage hat sich von der Zielsetzung der ursprünglichen Vorlage zur Platte-Strecke, nämlich dem Kompromiss zwischen Anforderungen des Sports und des Naturschutzes, offenbar völlig verabschiedet.

Mit einer  offiziellen Streckenausweisung am Schläferkopf  oder anderswo wird an dieser Stelle ganz sicher die Nutzung intensiviert. Als wichtiges Argument dafür wird immer angeführt, dass nur mit so einem Angebot das im Stadtwald weit verbreitete illegale Mountainbiken eingeschränkt werden kann. Aber mit welchen konkreten Maßnahmen, das frage ich Sie, Herr Dezernent Franz, soll das geschehen? Gibt es dafür  neue Konzepte, gibt es dafür mehr Überwachungspersonal oder wie sonst soll jetzt machbar sein, was  jahrelang gescheitert ist?

Wir befürchten vielmehr, dass der Zulauf noch weiter steigt, ohne dass der Nutzungsdruck an anderen Stellen abnimmt. Folge: Der Wald wird lauter und die Vielzahl der Störungen nimmt zu. Dazu passt, dass bereits jetzt schon überdimensionierte Mountainbike-Sportveranstaltungen mit hohen Teilnehmerzahlen im Wald stattfinden und dass mitten in der Brut- und Setzzeit. Der Gipfel hierbei ist, dass behauptet wird, es gäbe keine Störungen, was jedoch nur durch ein Vorher-nachher-Monitoring nachweisbar wäre, das überhaupt nicht durchgeführt wurde.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen:

–       Wir haben einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von 2012 zu einer verträglichen Streckenführung, die beim RP im Verfahren ist

–       Sie wollen mit der Vorlage diesen Beschluss zugunsten einer Strecke aushebeln, die in einem intransparenten Verfahren entstanden ist. Dies, ohne dass es eine Abwägung aller Vor- und Nachteile, auch im Vergleich zur Strecke Platte, gegeben hätte oder gar dokumentiert wäre.

–       Dieser Beschluss kommt praktisch aus dem Nichts, die Runden Tische ab Dezember 2013 vollziehen lediglich einen nicht offengelegten Meinungswechsel bei den de-facto-Entscheidern nach. Zum zweiten Runden Tisch liegt  nicht einmal ein Protokoll vor, geschweige denn eine fachliche Stellungnahmen der Ämter.

–       Wir stellen fest, dass Sie die einstmals festgestellten Kriterien zur Streckeneignung verlassen haben, nämlich

  •  Die Eingriffe in die Natur sollten so gering wie möglich gehalten werden
  • Der Streckenverlauf wird bewusst in einen Bereich mit großer Freizeitnutzung gelegt
  • Das Streckenprofil hat im Abfahrtsteil ein moderates Gefälle, so dass er als eine attraktive Strecke für den Freizeitsport bezeichnet werden kann, mit dem aber auch der Vereinssport gut leben kann
  • Außerdem  werden fachliche Kriterien wie die Vorschriften  zum Wasserschutzgebiet Zone II nicht eingehalten!

Wir fordern daher in unserem Antrag unter anderem, dass

–       die Umweltverträglichkeit inklusive aller Konflikte dargestellt wird

–       die sportliche Eignung für alle, nicht nur für Downhillsportler, gegeben sein muss

–       und dass Wettbewerbsveranstaltungen zuverlässig ausgeschlossen werden!

Sorgen Sie mit dafür, dass das Trauerspiel dieses Verfahrens nicht zum Dauerdrama für unseren Wald wird und stimmen Sie unserem Antrag zu!