23. Mai 2014

Rede des Stadtverordneten Felix Kisseler zu TOP 5 „25 Jahre Deutsche Einheit – Wiesbadener Woche der Freiheit“,

Gemeinsamer Antrag der Stadtverordnetenfraktionen von CDU und SPD, in der Stadtverordnetenversammlung am 22. Mai 2014 

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren,

vorneweg möchte ich zur Klärung des Antragsinhalts eine Frage an die antragstellende Fraktion stellen: Ist ein Festredner immer männlich und wenn ja, warum?

Abgesehen von der Frage des Geschlechts der festredenden Person wird Bündnis 90/Die Grünen dem vorliegenden Antrag der Koa jedoch zustimmen.

Aber lassen Sie uns über Freiheit reden. Freiheit, das ist ein Gut von unermesslichem Wert. Wir, die wir hier versammelt sind, erfahren Freiheit kaum, weil sie für uns zur Gewohnheit geworden ist. Das ist schön und doch hat Freiheit ihre Grenzen. Sinnbild für die Grenzen der Freiheit ist immer wieder die Mauer, die unseren ostdeutschen Mitmenschen eben jene Freiheit verwehrte. Es ist also ein guter Anlass, zum Tage der Einheit eine Woche der Freiheit zu veranstalten.

Lassen Sie uns über Freiheit reden. Aber lassen Sie uns den Blick nicht auf längst Vergangenes richten. Zu leicht ist es, den Finger auf die DDR zu richten und das Urteil „Freiheitsberaubung“ zu fällen. Wir könnten uns, freien Menschen, die wir sind, dabei entspannt auf die Schulter klopfen und uns freuen, dass wir es besser haben. Aber das, meine Damen und Herren, wäre dem Thema nicht angemessen.

Lassen Sie uns über Freiheit reden, unbedingt. Aber lassen Sie uns das mit einem kritischen Blick in den Spiegel tun. Lassen Sie uns reflektieren, dass wir mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der wir unsere Freiheit ausschöpfen, einen Lebensstil pflegen, der anderen ihre Freiheit raubt.

Ja, meine Damen und Herren, durch die Art und Weise, wie wir leben, wie wir konsumieren, zwingen wir andere in Unfreiheit.

Die Tafel Schokolade namhafter Hersteller schmeckt wundervoll süß auf der Zunge – wie süß aber ist das Leben der Kindersklaven in Afrika, die unter schrecklichen Bedingungen die Kakaoernte für unseren Genuss einbringen? Es ist, wie das Wort schon sagt, ein Leben in Sklaverei…

Wie ist es um die Freiheit der Näherinnen in Asien bestellt, die zum Hungerlohn und in Lebensgefahr unsere Kleidung nähen? Ich nehme mich in der Kritik gar nicht aus, ich stehe in Boxershorts von H&M vor ihnen. Wobei es ein Trugschluss wäre, zu glauben, dass nur H&M und Kik zu solch fürchterlichen Konditionen produzieren lassen.

Was ist mit der Freiheit der afrikanischen Hühnerzüchter, denen wir die Existenzgrundlage rauben, indem wir ihren Markt mit Geflügel“abfällen“ überschütten, weil wir eben nur Brust, Schenkel und Flügel haben wollen?

Und wir müssen noch nicht einmal in ferne Lande schweifen. Wieviel Freiheit gestehen wir den armen Frauen zu, die in unserer wunderschönen Stadt dafür sorgen, dass jederzeit die „gewisse Menge an Sex“, die benötigt wird, abgreifbar ist?

Und was ist mit der Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit unserer Kinder und Kindeskinder, wenn wir ihnen einen verwüsteten, ausgeraubten, geschundenen Planeten vererben?

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns über Freiheit reden. Aber eben mit dem kritischen Blick auf uns selbst und auf die Freiheit, die wir anderen versagen.

Mit diesen Gedanken stimmen wir Grüne dem Werben um eine Woche der Freiheit zu.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.