12. Februar 2015

Rede von Christiane Hinninger „Rücktritt vom Kaufvertrag mit der OFB Projektentwicklung GmbH“ in der StVV am 12. Februar 2015

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,
nach dem Scheitern der CDU-SPD-Variante zur Errichtung eines Stadtmuseums gibt es keine Alternative zum Rücktritt vom Grundstücksgeschäft mit der Wilhelmstrasse 1!
Dieser Rücktritt ist Ziel des vorliegenden Antrags, den alle Oppositionsfraktionen unterstützten und den Grüne, LiPis, BLW und UFW gemeinsam eingebracht haben. Das unglaubliche Gezerre der Koalition in den letzten Tagen, von dem mit Recht zu lesen war, dass es keinen Bezug mehr zur Sache hat, macht unseren Antrag umso notwendiger.
Dass die SPD-Fraktion jetzt zur Umkehr bereit ist, dass sie den falschen Weg verlassen und nicht weiterstolpern will, begrüßen wir. Diese Umkehr ist nötig.
Die große Koalition hatte mit der OFB den Bau eines Stadtmuseums vereinbart, ihr das Grundstück unter Umgehung des Vergaberechts verschafft und dies klar unter dem Marktpreis. Letzteres hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion inzwischen öffentlich bestätigt.
Allein dieser Umstand macht einen Rücktritt zwingend!
Anrede,
an dem Vorgehen von CDU und SPD beim Stadtmuseum war nichts gut.
– Nicht gut war die intransparente Auswahl der OFB als Investor im Koalitionshinterzimmer – bis heute ist völlig unklar, warum ausgerechnet die von einem ehemaligen CDU-Minister geführte OFB den Auftrag bekommen erhielt, obwohl sie keine Erfahrung mit Museumsbauten hat.
– Nicht gut war die Art und Weise, wie ein solches Projekt ohne Magistratsvorlage mittels eines Antrags der Koalition durch die Gremien geboxt wurde.
– Nicht gut war die sachwidrige und ausschließlich koalitionspolitisch begründete Verknüpfung von Schulsanierung und Museumsbau.
– Nicht gut war der Entwurf eines Gebäudes, das erst noch zu einem Museum hätte umgerüstet werden müssen.
– Nicht gut war das monatelange Rumgeeiere in der Frage, wie der Kulturhaushalt belastet wird.
Gut war am Ende nur eines – dass zahlreiche Menschen in unserer Stadt, insbesondere aus der Kulturszene, sich so etwas nicht bieten lassen wollten und sich für eine vernünftige Politik engagieren.
Anrede,
der Rücktritt ist unausweichlich und ein Neubeginn in Form einer offenen städtebaulichen Diskussion über die Nutzung des Grundstücks ist erforderlich.
Die CDU hat sich seit Wochen einem Neuanfang für die Wilhelmstraße 1 widersetzt, weil angeblich der Ruf der Stadt als Investitionsstandort geschädigt würde, wenn die OFB jetzt nicht ein anderes Projekt realisieren dürfe. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Der Ruf der Stadt wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass wir den Mut haben, dass dringend Notwendige zu tun und den parteipolitischen Murks in ein geordnetes Verfahren zu überführen.
Wenn etwas den Ruf Wiesbadens geschädigt hat, dann war es das Vorgehen der Koalition, bei dem eine Ausschreibung unterlaufen, in dubioser Weise eine von einem CDU-Politiker geführte Gesellschaft ausgewählt und ihr das Grundstück verbilligt zugeschanzt wurde. So etwas schädigt den Ruf unserer Stadt!
Würden wir jetzt einfach die OFB auf dem günstig erworbenen Grundstück etwas anderes bauen lassen, würde in derselben Angelegenheit ein zweites Mal gegen marktwirtschaftliche Prinzipien verstoßen und potentielle Konkurrenten benachteiligt werden. Das ausgerechnet die CDU das will, die sich immer ihrer Wirtschaftskompetenz rühmt, ist mehr als abenteuerlich.
Und da wir gerade dabei sind: Die Art wie die Koalition und auch der Oberbürgermeister die Stadt in dieser Angelegenheit führen – oder auch nicht führen, trägt auch nicht gerade zum guten Ruf Wiesbadens bei.
Erst schieben Sie monatelang alle Kritik an ihrem Weg zu einem Stadtmuseum beiseite, dann steigen Sie Knall auf Fall und ganz offensichtlich ohne Plan, wie’s weiter gehen soll, aus. Und jetzt entnehmen wir der Presse das Kommunikationsdesaster zwischen dem Oberbürgermeister und der OFB.
Den Berichten zufolge teilte der Geschäftsführer der OFB der Stadt brieflich mit, dass er auf Basis eines gemeinsamen Gesprächs am 12. Januar Planungen für ein Hotel vorantreibe. Nachdem er dann am 4. Februar telefonisch über die Rücktrittsabsicht informiert worden sei, schreibt Herr Riehl in einem 2. Brief, er sei [Zitat] „mehr als verwundert“ [FAZ] und dass die OFB an ihren Rechtsansprüchen festhalte. Hierauf soll der OB wieder per SMS geantwortet und die OFB für die weitere Kommunikation an die Stadtentwicklungsdezernentin verwiesen haben.
Ein eher wachsweiches Dementi zum Thema Hotel erfolgte dann erst Anfang dieser Woche.
Halten Sie ein solches Vorgehen etwa für ordentliches Verwaltungshandeln? Und halten Sie es für einen angemessenen Umgang mit dem bis vor kurzem so hofierten Investor?
Offensichtlich ist dem OB die Verwirklichung der Utopie des ‚papierlosen Büros‘ wichtiger als eine ordentliche Kommunikation.
Mit einen solchem Mangel an Professionalität und den Verfahrensungereimtheiten, die das Vorgehen von Beginn an begleiten, kann man eine Stadt nicht ordentlich führen
Was Wiesbaden jetzt braucht, ist eine öffentliche und offene Diskussion darüber, wie wir mit diesem Filetstück umgehen wollen. Was wollen wir an dieser Stelle haben, was ist aus gesamtstädtischer Sicht sinnvoll?
Dies sehen viele in unserer Stadt ebenso, z.B. der Präsident der IHK, der von einem fragwürdigen Deal mit dem geplanten Stadtmuseum gesprochen hat. Er wünsche sich -anders als beim Stadtmuseum und der Standortdebatte zu den Rhein-Main-Hallen -von der Stadtpolitik „konstruktive Diskussionen ohne Scheuklappen“. Er sagt auch „Bürger zu beteiligen, ist richtig, aber bitte offen und transparent.“
Dieses wollen wir mit unserem Ergänzungsantrag auf den Weg bringen. Einfach nur die erstbeste Idee aufzugreifen reicht nicht. Schon gar nicht reicht es aus, bloß das Interesse eines Inverstors zu bedienen. Die OFB hatte ja schon im Mai 2013 ein Hotel ins Spiel gebracht hat.
Meine Damen und Herren der Koalition, strafen Sie nicht ihre groß angekündigte „Transparenz und Offenheit … im Bereich Stadtentwicklung“ Lügen. Wie heißt es in Ihrer Vereinbarung „Verantwortung für Wiesbaden“?
„..bei allen Vorhaben der Stadtgestaltung [wird] die rechtzeitige Information und Beteiligung der Öffentlichkeit sichergestellt… .“ (Koalitionsvertrag TZ 367 ff)
Bleiben Sie nicht auf halbem Weg stehen. Folgen Sie Ihren eigenen Ankündigungen im Falle des Grundstücks Wilhelmstraße 1 und lassen Sie einen wirklichen Neuanfang zu.