27. Juni 2019

Wiesbaden erklärt den Klimanotstand

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Linke & Piraten zur Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Juni 2019

Die Klimakrise ist eine der größten Bedrohungen der heutigen Zivilisation. Ihre Auswirkungen werden unumkehrbar und nachhaltig die Grundlagen menschlichen Lebens verändern.

In der Wissenschaft besteht Einigkeit darüber, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird. Es besteht auch Einigkeit darüber, dass große Katastrophen wie z.B. ein massiver Anstieg des Meeresspiegels sowie die Zunahme von Dürren und Extremwetterereignissen mit verheerenden Folgen für weite Teile der Erdbevölkerung nur dann bewältigt werden können, wenn es gelingt, die Erderwärmung auf 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dieses Ziel muss in kürzester Zeit erreicht werden, wenn wir schlimmste Folgen für Mensch und Natur vermeiden wollen.

Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche Städte und inzwischen sogar Länder den sogenannten Klimanotstand ausgerufen.

Die Folgen des Klimawandels betreffen auch Wiesbaden. Die beispiellose Hitze- und Trockenperiode 2018 sowie auch die Stürme und mit Hochwasser verbundene Starkregenereignisse der vergangenen Jahre haben uns bereits deutlich spüren lassen, was dieser Stadt bei zunehmender Klimaerhitzung in verstärktem Ausmaß droht.

Die Stadt Wiesbaden will daher mit dem Ausrufen des Klimanotstands eindringlich auf die Notwendigkeit hinweisen, die Freisetzung klimawirksamer Treibhausgase umgehend zu reduzieren und klimafreundliche Wirtschafts- und Lebensweisen voranzutreiben.

Leider zeigt die Klimaschutzbilanz 2017, dass die selbst gesteckten Ziele der Landeshauptstadt mit den bisherigen Mitteln und Maßnahmen nicht annähernd zu erreichen sind.

Klimaschutz muss als Querschnittsaufgabe deutlich mehr in das Bewusstsein und in die Verantwortung der Handelnden in dieser Stadt gerückt werden.

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

A. Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis,

  1. dass die Klimakrise eine existentielle Bedrohung für Wohlstand, sozialen Frieden und Zukunftschancen der heute lebenden, aber vor allem der nachfolgenden Generationen darstellt.
  2. dass die mit dem Beschluss vom 10.05.2007 festgesetzten Ziele zum Klimaschutz bis 2020 nicht erreicht werden.
  3. dass zur Erreichung der Ziele mit dem Integrierten Klimaschutzkonzept eine gute Grundlage vorliegt, der Maßnahmenkatalog aber konsequenter als bisher umzusetzen und weiterzuentwickeln ist.
  4. dass die Landeshauptstadt Wiesbaden ihre Anstrengungen deutlich verstärken und beschleunigen muss, um ihren Beitrag zur Einhaltung der international vereinbarten Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C zu leisten.

B. Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen,

  1. Klimaschutz ist eine kommunale Aufgabe hoher Priorität.
  2. Die Landeshauptstadt Wiesbaden übernimmt die Ziele des Pariser Abkommens wie sie von der Bundesregierung im Klimaschutzplan 2050 präzisiert wurden. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 reduziert werden. Aus diesem Globalziel ergeben sich Emissionsminderungsziele für die einzelnen Sektoren für die nächsten 10 Jahre. Die Erfüllung dieser Ziele erfordert ein grundlegendes Umdenken und wirksame Maßnahmen in allen Bereichen.
  3. Aus diesem Handlungsdruck heraus erklärt die Landeshauptstadt Wiesbaden den Klimanotstand und stellt alle Entscheidungen, Projekte und Prozesse der Stadt und ihrer Gesellschaften unter den Klimaschutzvorbehalt. Das bedeutet: Alle klimarelevanten Vorhaben, Projekte und Prozesse sind zu identifizieren, hinsichtlich ihrer Klimafolgen zu bewerten und mit Blick auf ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele sowie auf Optimierungspotenziale und ggf. Kompensationsmöglichkeiten zu prüfen. Klimafreundlichere Alternativen sind zu entwickeln und abzuwägen.
  4. Der Magistrat wird beauftragt, bis Mitte 2020 für den Gesamtkonzern Stadt Strukturen und Verfahren zu entwickeln, die sicherstellen, dass der Klimaschutz als wichtiger Aspekt kommunalen Handelns auf allen Ebenen und in allen Prozessen verankert wird.