8. November 2018

Rede von Felix Kisseler zu „Einrichtung einer Meldestelle für antisemitische Vorfälle in der Landeshauptstadt Wiesbaden“ in der Stadtverordnetenversammlung am 8. November 2018

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

manchmal wird die große, weite Welt ganz klein. Ein von Hass getriebener Amoklauf in einer Synagoge in weiter Ferne rückt dort dicht an uns heran, wo der gleiche Hass in unserer Gesellschaft auflodert und spürbar wird.

Manchmal sind wir deutlich weiter von der nahen Zukunft entfernt als von der längst vergangenen Vergangenheit. Sie wächst in unsere Zeit, in unseren Alltag herein, wenn Menschen blind vor Zorn Hetzjagd auf andere Menschen veranstalten.

Anrede,

am morgigen Tag jährt sich die Reichspogromnacht zum 80. Mal. Wir Gedenken der jüdischen Opfer des Nationalsozialistischen Terrors, die in jener Nacht der demaskierten Fratze des Grauens entgegen blicken mussten. Was in dieser Nacht geschah, war nur ein Vorspiel dessen, was noch unvorstellbar war und was bis heute unverständlich bleibt. Hass auf Menschen, der sich zu solchem Wahn steigert, dass er in Mord und Totschlag in unermesslichem Ausmaß endet.

Aber es beginnt eben nicht mit Konzentrationslagern und Gaskammern. Es beginnt auch nicht mit brennenden Synagogen. Es beginnt mit Gedanken und mit Worten. Vielleicht achtlos formuliert und „nur so daher gesagt“. Oder eben leise und im Verborgenen ausgesprochen, aber mit tief empfundener Verachtung für Menschen. Beides ist der Nährboden auf dem Hass heranwachsen kann, langsam breitet er sich auf diese Weise in der Gesellschaft aus.

Wenn wir morgen an das Grauen vor 80 Jahren erinnern, dann kann nicht der Gedanke die Triebfeder sein, dass Gedenken alleine ausreicht um erneute Barbarei, um erneuten Massenmord zu verhindern. Nein, dies wird nicht ausreichen. Wir dürfen, ob dieses Gräuels fassungslos sein, aber eben nicht ohnmächtig.

Jetzt ist der Zeitpunkt, um zu handeln. Wir müssen Antisemitismus in unserer Gesellschaft entgegentreten und ihn bekämpfen. Mehr noch, wir müssen alle Minderheiten vor Hass und Ausgrenzung schützen. Man kann dafür eine Meldestelle schaffen. Wir können Vorfälle erfassen und sammeln. Wir können Berichte anfertigen und einmal im Jahr diskutieren, ob die Zahl der gemeldeten Fälle erschreckend hoch ist oder ob sie noch höher sein könnte (und wir deswegen Glück im Unglück haben). Wir können auch auf Grund der Berichte fassungslos sein. Ja. Wir dürfen fassungslos sein. Aber wir dürfen nicht ohnmächtig sein.

Zahlwerk, meine Damen und Herren, hilft uns nicht weiter. Zahlen dokumentieren schön, aber sie liefern keine Lösungen. Und das Problem ist bereits erkannt und es ist benannt. Hass gegen Minderheiten, die uns „anders“ erscheinen. „Fremd“. Keine Zahl dieser Welt wird uns bei diesem Problem helfen. Aber manchmal ist es ganz einfach eine Lösung zu finden. Ein Blick in den Spiegel kann bereits ausreichen. Das Spiegelbild, das sie erblicken, kann schon der Geistesblitz sein, der nötig ist, um angemessen zu reagieren auf die Ausbreitung des Menschenhasses inmitten unserer Gesellschaft.

Anrede,

Spiegelbild macht seit nun 10 Jahren erfolgreiche Arbeit im Bereich der Aufklärung, der Prävention. Das Team um Hendrik Harteman und Andrea Gotzel ist seitdem gewachsen, ebenso wie die Bedrohung für unsere demokratische Gemeinschaft gewachsen ist. Unermüdlich, kreativ und am Puls der Zeit kämpft Spiegelbild einen Kampf gegen Extremismus. Zum Wohle unser aller. Aber obwohl das Team wächst, gelangt Spiegelbild an seine Grenzen, Grenzen die durch Ressourcen bedingt sind. Dem können wir als Politiker und Politikerinnen Abhilfe schaffen. Lassen sie uns Spiegelbild mit den nötigen Ressourcen ausstatten, damit Spiegelbild nicht an Grenzen stoßen muss. Grenzen, die zum Schaden der Gesellschaft wären.

Und zur Frage, ob dies eine Institution außerhalb der Verwaltung bewerkstelligen sollte, bitte ich sie über folgendes nachzudenken: Sollten wir nicht die Besten der Besten für eine so gewichtige Aufgabe auswählen? Und sollen wir wirklich das Team von Spiegelbild, denn das sind die Besten, abwerben und in die Verwaltung eingliedern? Mit all den hiermit verbundenen Schwierigkeiten? Nein. Das sollten wir nicht. Wir sollten mit dem Dank an Spiegelbild nicht sparen. Denn Spiegelbild zeigt mit seiner Arbeit eine Lösung auf, die Zahlen nicht bieten können. Und mit etwas anderem sollten wir in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht sparen: Mit den benötigten Ressourcen. Dass Auschwitz nicht noch einmal sei.

Ich bitte Sie um Zustimmung, danke.