16. November 2017

Gabriela Schuchalter-Eicke zu „Tätigkeitsbericht 2014-2016 des Kommunalen Frauenreferates“

Rede der Stadtverordneten Gabriela Schuchalter-Eicke von Bündnis 90/Die Grünen zu TOP I/4 „Tätigkeitsbericht 2014-2016 des Kommunalen Frauenreferates“, in der Stadtverordnetenversammlung am 16. November 2017

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, meine Damen und Herren, liebe Frau Veit-Prang und Ihr Team,

vielen Dank für Ihren umfassenden und beeindruckenden Bericht über Ihre vielfältigen Aktivitäten während der Jahre 2014-2016 in unserer Stadt und ich zitiere daraus den letzten Satz:

„…um das Ziel der Chancengerechtigkeit der Geschlechter weiter zu verfolgen sind die Fortführung der Arbeitsschwerpunkte sowie weitere Maßnahmen erforderlich und geplant.“

Kurz gesagt: Viel erreicht – aber auch: noch viel zu tun!

Es ist zwar grotesk, doch leider wahr: im Jahre 2017 sind Frauen noch immer in fast allen Bereichen der Gesellschaft benachteiligt: Die Zeiten für Kindererziehung und Care Arbeit sind ungleich verteilt, der Bildungsvorsprung bei den Schulabschlüssen wird von jungen Mädchen beruflich nicht umgesetzt. Sie wählen aus ca. 400 Ausbildungsberufen mehrheitlich nur etwa 10 aus, die zumeist im Niedriglohnsektor angesiedelt sind.

Im Studium gibt es fächerbedingt – beispielsweise im MINT Bereich – schon große Unterschiede beim Anteil von weiblichen und männlichen Studierenden, die sich bei Promotionen und Habilitationen sowie den W3-Professuren dann allgemein nochmals verschärfen. Dabei sinkt der Frauenanteil umso mehr, je höher die Qualifikationsstufe ist.

Dies findet sich dann auch im beruflichen Alltag wieder: Frauen in Führungspositionen, in Vorständen und in Aufsichtsräten sind immer noch unterrepräsentiert. Auch hier in Wiesbaden! Da sind wir trotz des Beschlusses unseres hohen Hauses bisher nicht viel weitergekommen.

Drei der Arbeitsschwerpunkte des Frauenreferats liegen mir besonders am Herzen, weshalb ich auf sie hier nochmals näher eingehe:

Erstens das Thema Gewalt: Wir erleben gerade eine weltweite Kampagne zu Sexismus und sexueller Gewalt, bei der Frauen bekennen MeToo! Das ist ein Skandal, dass in unserer Gesellschaft Täter immer noch mehr oder weniger ungeschoren davonkommen, weil Frauen Jahre, Jahrzehnte keine Worte finden können, für das was ihnen angetan wurde. Hier gilt: hinsehen, nicht wegsehen! Es gibt aktuell eine Ausstellung „immer noch – noch immer“ in der Kulturstätte Montabaur, Schulberg 7-9, zum Thema, die mich sehr bewegt hat.

Insofern bin ich dem kommunalen Frauenreferat besonders dankbar, dass sich unter der Regie von Frau Simonsen und Frau Veit-Prang hier in Wiesbaden die internationale Aktion „One Billion Rising“ zu einem festen Bestandteil der frauenpolitischen Arbeit entwickelt hat.

Der Name „Eine Milliarde erhebt sich“ deutet auf eine UN-Statistik hin, nach der eine von drei Frauen in ihrem Leben entweder vergewaltigt oder Opfer einer schweren Körperverletzung wird. Das gemeinsame Tanzen für ein Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen und für Gleichstellung findet in rund 200 Ländern gleichzeitig auf öffentlichen Plätzen statt. Die New Yorker Künstlerin und Feministin Eve Ensler initiierte One Billion Rising im Jahr 2012.

In Wiesbaden hatten engagierte Frauen die Kampagne vor einigen Jahren erstmalig aufgegriffen und auf dem Mauritiusplatz zum gemeinsamen Tanzen aufgerufen. 2015 tanzten die Frauen auf dem Luisenplatz, 2016 auf dem Bahnhofsvorplatz unter der Schirmherrschaft von unserem Oberbürgermeister und 2017 beteiligte sich Wiesbaden offiziell zum dritten Mal auf dem Schlossplatz am weltweiten Aktionstag gegen Gewalt an Frauen. Die Schirmherrschaft hatte diesmal Stefan Grüttner, der Hessische Minister für Soziales und Integration, übernommen.

Ich persönlich freue mich sehr über die strukturelle Verankerung dieser Kampagne in unserer Stadt und den Umzug der Tanzenden auf den zentralen Schlossplatz. Es zeigt, dass Stadt und Land ein Engagement der Menschen gegen Gewalt an Frauen sehr wichtig ist!

Der zweite Punkt den ich herausgreifen möchte, betrifft die Altersarmut von Frauen. Die Altersarmut ist eine Konsequenz daraus, dass Frauen im Laufe ihres Lebens in der Regel immer noch deutlich weniger Einnahmen aus Erwerbsarbeit haben als Männer.

Nicht einmal die Bezahlung für die geleistete Arbeit ist fair. Der gender pay gap oder die Lohnlücke besteht in allen Branchen und auf allen Hierarchieebenen. Der hessische Lohnatlas hat hier besonders auf den großen Unterschied bei Akademikerinnen hingewiesen. Aber die Lohnlücke steigt auch bei Frauen über 50 Jahren auf ca. 1/3 an.

Teilzeitarbeit, Niedriglohnbranchen, Arbeitsunterbrechungen, keine Aufstiegschancen, Minijobs: Die strukturellen Benachteiligungen im Berufsleben verhalten sich für die Frauen additiv und führen stringent in die Altersarmut. Die Durchschnittsrente einer Frau in Deutschland beträgt aktuell etwa 530,- Euro im Monat, also ungefähr die Hälfte von der durchschnittlichen Rente eines Mannes.

Daher war und ist es so wichtig, in diesem Bereich aufzuklären. Das kommunale Frauenreferat hat hier Vorbildliches geleistet. Über drei Jahre hinweg wurden unter dem Oberthema Altersarmut relevante Bereiche bearbeitet, öffentlich gemacht und die Ergebnisse in überaus informativen Berichten zusammengefasst. Vielen Dank dafür!

Dritter Punkt: Seit 2014 tagt in Wiesbaden regelmäßig – dank der Organisation des kommunalen Frauenreferats – ein runder Tisch, der sich für LSBT*IQ Menschen engagiert. Das Kürzel steht für Lesbisch, Schwul, Trans*, Intergeschlechtlich und Queer. Wie sagte der ehemalige OB Wowereit aus Berlin: „…und das ist auch gut so!“ Die nächste Veranstaltung des runden Tisches findet am 22.11. hier im Saal statt. Der Wunsch des runden Tisches war, eine kommunale Koordinierungsstelle für die Anliegen von Menschen, die sich dieser Gruppe zuordnen, in Wiesbaden zu etablieren. In München, Frankfurt, Mainz und vielen anderen Städten ist das schon Realität. Für Wiesbaden waren die Probleme der LSBT*IQ-Menschen im Alltag, nötige und mögliche Beratung sowie Hilfe bisher überhaupt nicht geregelt. Unser Oberbürgermeister hatte auch hier die Schirmherrschaft übernommen. Obwohl die Toleranz zugenommen hat und es mittlerweile die „Ehe für alle“ gibt, wollen wir sie hier in Wiesbaden auf ihrem Weg unterstützen und es wird bald die gewünschte Koordinierungsstelle geben. Dazu hat das kommunale Frauenreferat mit der Organisation und Koordination der regelmäßigen Treffen sowie der Unterstützung von Veranstaltungen einen wichtigen Beitrag geleistet. Danke Frau Philipp-Lankes!

Und am Schluss erlaube ich mir noch eine Betrachtung zum Frauenreferat als solches und dem Feminismus im Allgemeinen:

Es ist nicht zu leugnen, dass sich in Teilen der Gesellschaft wieder eine rückläufige Entwicklung abzeichnet. Der polnische Europa-Abgeordnete Janusz Korwin-Mikke mag ein besonders starkes Negativbeispiel sein. Aber allein ist er nicht.

Die Szene Anfang des Jahres im Europäischen Parlament wirkte wie aus der Zeit gefallen: Der polnische Nationalist und EU-Abgeordnete sagte bei einer Plenarsitzung: „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer, denn sie sind schwächer, kleiner und weniger intelligent.“ Der Mann ist 74 Jahre alt. Seine Meinung ist heute in der westlichen Welt nicht mehrheitsfähig. Die Frage, die sich dennoch jetzt stellt: Ist er ein übrig gebliebenes Fossil oder der Vorbote einer neuen Zeit?

Mit der neuen rechten Bewegung werden die Angriffe auf als selbstverständlich empfundene Frauenrechte wieder häufiger. In der Debatte um Frauenrechte geht es immer auch um Menschenrechte. Menschen, die Frauen diskriminieren, schließen auch Minderheiten aus.

Gewonnene Rechte können wieder verloren gehen. Deshalb brauchen wir einen starken Feminismus und die strukturelle Verankerung in einem kommunalen Frauenreferat.

Eine angemessene Ausstattung ist Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit des Frauenreferats, dafür werden wir GRÜNE uns immer einsetzen.