8. März 2019

Grußwort der Stadtverordneten Gabriela Schuchalter-Eicke zum Internationalen Frauentag 2019

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, sehr geehrte Vertreter*innen des Magistrats, liebe frauenpol. Sprecherinnen der Fraktionen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Frauen und Mädchen aus Wiesbaden,

 

gestatten Sie mir – in Zeiten wie diesen – kein reines, sondern ein politisches Grußwort. Seit 1911 gehen die Frauen jährlich am Int. Frauentag auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen. Insbesondere das Recht auf Bildung und das Wahlrecht standen dabei zunächst im Mittelpunkt. Vor 100 Jahren, am 19. Januar 1919, haben in Deutschland Frauen erstmals gewählt. Mehr als 80 Prozent der wahlberechtigten Frauen gaben bei der ersten Wahl ihre Stimme ab. Es kandidierten 300 Frauen und 37 zogen in die Nationalversammlung ein.
Heute, 100 Jahre später, können wir von solchen Wahlbeteiligungen nur träumen. Doch gemeinsam müssen wir daran arbeiten, Politikverdrossene wieder zur Wahl zu bewegen. Das Wahlrecht zu haben ist eine Sache, aber wir Frauen müssen es auch ausüben. Denn Frauen wählen anders als Männer und vor allem: sie wählen mehrheitlich nicht den rechten braunen Rand. Noch nie war wählen so wichtig wie bei dieser Europawahl am 26. Mai.
Hier werden die Weichen gestellt für ein geeintes, starkes Europa mit einer tragenden Rolle in der Weltpolitik oder für die Zersplitterung in nationale, rechtspopulistische Machtinteressen und das Abrutschen in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit.

Seit dem Jahr 1911 hat sich durch die Gesetzgebung einiges für Frauen und Mädchen zum Besseren geändert. Heute – 108 Jahre danach – sind viele dieser Errungenschaften für uns Frauen eine Selbstverständlichkeit. Die Welt ist eine andere geworden und die Veränderung geht insbesondere durch die Digitalisierung rasant weiter. Aber führt das auch automatisch zu einer schönen neuen „Frauen“-Welt?“ Ein Herr Trump jedenfalls trägt nichts dazu bei. Negative Auswirkungen der Digitalisierung zeigten sich deutlich durch die Wahlmanipulation bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Das Thema Digitalisierung zum diesjährigen Internationalen Frauentag bietet eine Fülle von Anregungen und Diskussionsstoff, darauf sind Frau Gabriel und Herr Manjura bereits eingegangen und wir werden gleich einen Vortrag dazu hören.

Lassen Sie mich daher noch ein ganz aktuelles Problem ansprechen, dass mir als frauenpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion besonders am Herzen liegt:
Über die Abschaffung des § 219 a gibt es gerade eine Debatte, die leider schon längst überwunden geglaubte Einstellungen wieder an die Öffentlichkeit bringt. Es ist aus meiner Sicht ein Skandal, dass auch heute noch – mit dem § 219 a des Strafgesetzbuchs – schwangeren Frauen eine ärztliche Information zu Schwangerschaftsabbrüchen systematisch verweigert wird. Ärztinnen und Ärzten wird verboten, auf ihren Webseiten sachlich darüber zu informieren. Die „Lebensschützer“ versuchen, mit Klagen gegen Ärztinnen und Repressalien gegen Einrichtungen wie Pro Familia ihre Sicht der Dinge schlicht gesellschaftlich durchzudrücken.

Und hier in Hessen wird eine Ärztin wie Kristina Hänel, die ihrer ärztlichen Informationspflicht nachkommen wollte, kriminalisiert und verurteilt. Sie ist übrigens mit ihrem neuen Buch hier bei uns in Wiesbaden zu Gast im Frauenmuseum am 28.3.2019 um 19 Uhr. Sie sind alle herzlich eingeladen.

Es ist ebenfalls unerträglich, dass Frauen, die in einer Beratungsstelle von Pro Familia Hilfe für ihre Entscheidung über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch suchen, dabei von diesen sogenannten „Lebensschützern“ belästigt werden. Das bedeutet dann für die ratsuchenden Frauen einen demütigenden Spießrutenlauf, vorbei an diesen „Mahnwachen“ mit ihren Parolen, Plakaten und Gesängen. Dies alles geschieht, obwohl die Stellen zur Schwangerschaftskonfliktberatung in staatlichem Auftrag tätig sind!

Dagegen hat sich in Wiesbaden das „Bündnis für FRAUEN*RECHTE“ aus Grünen, ASF, Linken + Piraten, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, der kommunalen Frauenbeauftragten, pro familia und dem verdi-Bezirksfrauenrat gegründet. Das Bündnis streitet für eine ergebnisoffene, wohlwollende, kostenlose und anonyme Schwangerschaftskonfliktberatung. Es fordert eine Schutzzone von 150 m um Beratungsstellen, damit es zu keinerlei Beeinträchtigung des anonymen Zugangs kommt. Dies dient nicht nur dem Schutz der schwangeren Frauen, sondern auch dem der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beratungsstellen.

Als Vorsitzende des Frauenausschusses unterstütze ich dieses Bündnis für Frauenrechte und reproduktive Selbstbestimmung ausdrücklich und rufe Sie dazu auf, den Bündnis-Aufruf zu unterzeichnen! Das geht ganz einfach, über die Website frauenrechtewi.de.

Ein starkes Bündnis ist ein starkes Zeichen an die Politik. Lassen Sie uns gemeinsam für eine 150-m-Schutzzone kämpfen, heute, am Internationalen Frauentag! Das wäre doch mal etwas, meine Damen!