18. Mai 2017

Konstanze Küpper zu Grundwerte des Zusammenlebens in Wiesbaden

 „Grundwerte des Zusammenlebens in Wiesbaden“, Antrag der CDU-Fraktion, in der Stadtverordnetenversammlung am 18. Mai 2017

 Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren,

die CDU schlägt mit diesem Antrag einen ziemlich gewagten Bogen vom Verfassungsreferendum in der Türkei über die „Zweifel“ an der Demokratietauglichkeit der Deutschtürken bis hin zum eigentlichen Punkt: Dem CDU-Wahlkampfthema „Leitkultur“, das der CDU-Innenminister mit seinem holzschnittartigen 10-Punkte-Plan ordentlich in den Medien angeheizt hat. Diesem etwas vereinfachten Denkmuster können wir Grünen nicht folgen. Nur zwei Dinge dazu: Es gibt keine repräsentative Studien darüber, wer unter den Deutschtürken ein Anhänger Erdogans ist, noch darüber welche Motive diese Menschen für ihre Wahlentscheidung hatten. Alles ist reine Spekulation. Außerdem haben nur knapp ein Drittel der 1,4 Mio. Deutschtürken an der Wahl teilgenommen. Von diesem Drittel wiederum waren es 2/3, die für Erdogan gestimmt haben, also ca. 20 %. Der Antrag der CDU reflektiert dies in keiner Weise.

Er zeigt dagegen pauschal mit dem Finger auf eine große und wirklich wichtige Gruppe von Menschen mit türkischen Wurzeln in unserem Land, die sich jetzt insgesamt an den Pranger gestellt fühlen. Das wird nicht helfen.

Denn richtig ist doch: Integration ist eine noch ungelöste Aufgabe, die uns noch viele Jahre und Generationen beschäftigen wird. Aber wir werden dies Aufgabe nicht dadurch lösen, uns immer wieder einzelne Gruppen herauszusuchen, um denen dann mangelnden Integrationswillen zu unterstellen. Auf Anhieb würden mir da ein paar andere Gruppen einfallen, die man dann genauso unter die Lupe nehmen sollte. Wir müssen grundsätzlich weg von dem Denkansatz, wonach sich die Zuwanderer in unsere bestehende Gesellschaft „einzugliedern“ hätten, nach dem Motto: Nun passt Euch gefälligst an (woran auch immer) und wenn ihr das nicht tut (wer beurteilt das dann?), könnt ihr ja gehen. Auf dieses unsägliche Niveau populistischer Parteien wie der AfD sollten wir uns nicht begeben.

Unser türkischstämmiger Schwabe und Parteivorsitzende Cem Özdemir hat kurz nach dem Referendum klar gemacht, wie Integration gelingen kann: alle hier lebenden Menschen sollten sich aus ganzem Herzen zu unseren verfassungsmäßigen Grundwerten bekennen können: Meinungs-und Religionsfreiheit, Menschenwürde und Gleichberechtigung, das Recht auf Wohnen, Arbeit und freie Lebensgestaltung. Das ist es, woran wir arbeiten sollten. Das ist unser gemeinsames, zweiseitiges Projekt und es ist unsere Aufgabe hier in Wiesbaden, dafür die richtigen Rahmenbedingungen auf allen Ebenen der Gesellschaft zu schaffen, damit dieses Bekenntnis aus Überzeugung möglich wird, es nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt.

Unser gemeinsamer Antrag der SPD geht daher in die richtige Richtung und fragt nach dem Stand dieses gesellschaftlichen Projektes hier in Wiesbaden und vor allem nach den Chancen. Ich kann die CDU nur bitten, sich dieser Haltung anzuschließen.

Vielen Dank!