17. November 2016

Rede des Stadtverordneten Claus-Peter Große zu „Verkehrsentwicklungsplan Wiesbaden 2030″ in der Stadtverordnetenversammlung am 17. November 2016

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

derzeit wird ein neuer Verkehrsentwicklungsplan 2030 für Wiesbaden erstellt. Ziel des neuen Planwerkes ist es, eine mittel- und langfristige Strategie zur Entwicklung und Steuerung des Mobilitätsverhaltens und des Verkehrs in Wiesbaden zu entwickeln. Der erste Teil, die Bestandsanalyse, erarbeitet von zwei Darmstädter Planungsbüros, liegt nun vor.

Mit dieser Bestandsanalyse liegt uns nunmehr stadtweit sehr ausführliches Material zur Situation der verschiedenen Verkehrsmittel in Wiesbaden vor. In diesem Zusammenhang erfolgte auch eine ausführliche Mängelanalyse. Wir möchten uns an dieser Stelle einmal bei allen an der Erstellung dieses Berichts Beteiligten bedanken, die uns in der Kommunalpolitik eine fundierte Faktenbasis und Entscheidungshilfe an die Hand geben. Um wenige Kernpunkte zu nennen: die VEP-Bestandsanalyse stellt fest,

dass der Verkehr in Wiesbaden durch einen sehr hohen Anteil (Modal Split) an Motorisiertem Individualverkehr MIV mit allen daraus resultierenden Problemen gekennzeichnet ist. Um eine Steigerung des Anteils des Umweltverbunds (Bus, Bahn, Fußverkehr, Radverkehr) von derzeit 52 % zumindest auf den Durchschnittswert anderer hessischer Großstädte von ca. 60 bis 65 Prozent zu erreichen, konstatiert der Bericht „Verbesserungspotential“ (VEP Bericht S. 21).

Kritisiert werden zusammengefasst u.a. eine zu hohe Umweltbelastung („Handlungsdruck durch Grenzwertüberschreitungen NO2“) durch den Autoverkehr, Lücken im Fuß- und Radwegenetz sowie ein fehlendes Mobilitätsmanagement.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Punkte, die wir in der Vergangenheit zu zahlreichen Gelegenheiten immer wieder angemahnt haben und die vielfach Niederschlag fanden, zum Beispiel immer wieder in der Rote-Laterne-Position der Stadt Wiesbaden im ADFC-Ranking zum Fahrradfahren in Deutschland.

Wir jedenfalls sind froh, dass uns das Gutachten einen unverstellten Blick von außen gibt. Und wir scheuen uns nicht, Bewertungen und erste Handlungsempfehlungen aufzunehmen.

Warum aber stellt der Magistrat in Punkt 3 seines Beschlusses fest, dass die Bewertungen „nicht Gegenstand der Beschlussfassung“ sind? Im Klartext: der Magistrat weigert sich, diese im Grundsatz lange bekannten Defizite auch nur zur Kenntnis zu nehmen. (Was zum Beispiel ist an der Bewertung „Handlungsdruck durch Grenzwertüberschreitungen bei NO2“ denn so verwerflich?) Diesen Punkt 3 des Magistratsbeschlusses, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir keinesfalls mittragen und daher darf ich Ihnen bereits jetzt ankündigen, dass wir getrennte Abstimmung zu Punkt 3 beantragen und Sie alle bitten, den Bericht in seiner Gänze als die fachlich fundierte Grundlage unserer Arbeit anzuerkennen, die sie ist.

Wie geht es weiter mit dem Verkehrsentwicklungsplan?

Das Zitat fiel bereits: die viel zu hohe Schadstoffbelastung der Luft in Wiesbaden wird zu einem wesentlichen Teil durch den Verkehr verursacht. Außerdem haben wir in die gleiche Richtung zielende Aussagen in unserem CO2-Minderungskonzept – merke: keine Klimawende ohne Verkehrswende!

Deshalb ist ein Verkehrsentwicklungsplan, der ein Verkehrskonzept enthält, das zu erheblichen Emissionsverringerungen führt, dringend notwendig. Das Konzept, das zwingend stärkere ÖPNV-Nutzung und einen entsprechend geringen Auto-Gebrauch beinhalten muss, muss sehr schnell erstellt werden und auch Ansätze enthalten, die möglichst bald umgesetzt werden. Nur so kann ein diesbezügliches Urteil infolge einer Klage der Deutschen Umwelthilfe, das zwingend zu Zwangsmaßnahmen führen würde, vermieden werden. Genau darauf weist unser Antrag hin, der einen Maßnahmenkatalog vorsieht, der im Rahmen des zu entwickelnden Verkehrsentwicklungsplans berücksichtigt werden muss:

Die Instrumente sind:

  • Fußwegeverbindungen attraktiver zu gestalten;
  • den Radverkehr insbesondere auf Hauptverkehrsstraßen und an Knotenpunkten sicher zu führen;
  • die Vernetzungen des ÖPNV mit dem Radverkehr, dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zu verbessern und ein koordiniertes Gesamtkonzept mit dem Umland zu erstellen;
  1. Die Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten. Dazu ist:
  • ein systematisches und zielgruppenorientiertes Mobilitätsmanagement einzuführen;
  • der Parkdruck durch Änderung der Kostenstruktur und der zulässigen Parkdauer im öffentlichen Straßenraum zu senken;
  • der Anlieferungsverkehr umfeldverträglicher zu organisieren;
  1. Die Information und Kommunikation ist zu verbessern. Dazu müssen:
  • Mobilitätsangebote bekannt gemacht und aktiv kommuniziert werden, z.B. durch Ausweitung des Informationsangebots der ESWE Mobilitätszentrale auf andere Verkehrsarten neben ÖPNV (Carsharing, Fahrrad, zu Fuß gehen), und mittels Mobilitätsinfos für Neubürger, Mobilitätsmarketing, etc.

Und jetzt die gute Nachricht: wir sind durchaus schon auf dem Weg!

  1. Ein Kernpunkt hiervon wird die Citybahn, die sich als rheinübergreifendes Projekt gerade entwickelt und die ein hohes Potenzial zur Fahrgastgewinnung für den öffentlichen Personennahverkehr hat. Mehr dazu beim nächsten Tagesordnungspunkt !
  2. Aber auch das Thema Elektromobilität kommt voran. Das zeigte uns erst vor wenigen Wochen der Brennstoffzellenbus, der in Wiesbaden Station machte und uns zeigte, dass es sogar ohne große Ladeinfrastruktur leisen und lokal emissionsfreien Nahverkehr geben kann.
  3. Bei der Verkehrsdezernentin ist das Thema Fahrrad seit einiger Zeit angekommen, die Umsetzung in unseren Straßenraum nimmt Fahrt auf. Überhaupt: wir erleben derzeit eine Abstimmung mit Reifen und Klingel – der Radanteil steigt und so wird der Handlungsdruck einfach höher! Aber auch der CDU-Antrag unter TOP 14, der Radfahren in dieser Stadt ein stückweit einfacher machen soll, ist ebenfalls ein Baustein auf dem Weg.
  4. Und natürlich: unsere zahlreichen Initiativen, die Bündnis 90/Die Grünen auf den Weg gebrachte haben. Auch wenn es noch Widerstände gibt: das Thema Lieferdienste mit Lastenrad boomt, das haben uns auch Gespräche mit DHL und UPS gezeigt. In diesen Themenkreis gehört das Stichwort „Ladezonen“ für den Lieferverkehr, das ein Stück Ordnung in die zuweilen chaotischen Zustände auf Wiesbadens Straßen bringen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns dies und mehr in den kommenden Verkehrsentwicklungsplan integrieren, für den mit der Analyse, den Bewertungen und ersten Handlungshinweisen eine gute Basis gelegt wurde. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag!