5. April 2019

Rede von Christiane Hinninger zu „Öffentliche Parkhäuser unter Städtischer Regie“ in der Stadtverordnetenversammlung am 04.04.2019

„Ich drehe schon seit Stunden – Hier so meine Runden
Es trommeln die Motoren – Es dröhnt in meinen Ohren
Ich finde keinen Parkplatz – Ich komm‘ zu spät zu dir, mein Schatz“

[Anrede]

Diese Zeilen kommen Ihnen sicher bekannt vor, sie wurden gesungen von einem gewissen Herbert Grönemeyer im Jahr 1984. Und auch die Situation kommt Ihnen sicher bekannt vor, und das geht sehr vielen Wiesbadenerinnen und Wiesbadenern genauso in ihrem Alltag. Warum ist das so?

Es gibt überdurchschnittlich viele Autos in Wiesbaden, der Parkraum ist begrenzt und nicht beliebig vermehrbar. Und dennoch wäre viel vom stundenlangen Herumkreiseln eigentlich vermeidbar – wenn wir als Stadt nur die richtigen Schlüssel in der Hand hätten.

Wenn wir beim Thema Parken intelligent und vorausschauend unterwegs sein wollen, brauchen wir drei Schlüssel:

  1. Innenstadt-Besucher vom öffentlichen Straßenraum in die Parkhäuser lenken
  2. Nächtliche Nutzung der Parkhäuser durch Anwohner erleichtern
  3. Einnahmen abschöpfen, um z.B. den ÖPNV zu fördern und Tickets zu vergünstigen

Anrede,

Zum Schlüssel Nr. 1:

So wie in vielen anderen Politikfeldern, dachte man in Wiesbaden auch beim Thema Parkhäuser: „Der Markt wird das schon regeln“. Man hat ein Parkhaus nach dem anderen an private Firmen verpachtet; man hat zugeschaut, was passiert; und gehofft, dass es irgendwie funktioniert. Heute muss man feststellen: Es funktioniert nicht.

Während am Straßenrand ein erbitterter Kampf um jeden Parkplatz tobt; Gehwege, Radstreifen und Busspuren zugeparkt werden, herrscht in den meisten Parkhäusern gähnende Leere. Der Verkehrsentwicklungsplan hat schon 2015 festgestellt, dass nur in 3 von 14 Innenstadt-Parkhäusern überhaupt mal eine Vollauslastung erreicht wird,* die übrigen 11 sind zu keinem Zeitpunkt der Woche voll. Seitdem sind weitere Kapazitäten hinzugekommen, wir liegen heute bei etwa 6.000 Parkhaus-Parkplätzen. Warum sind diese Kapazitäten nicht ausgelastet?

Das liegt natürlich auch an der Preisstruktur: Solange der Straßenparkplatz billiger als das Parkhaus ist, erscheint es vielen lohnender, lieber ein paar Mal im Kreis zu fahren, um vielleicht doch einen Straßenparkplatz zu ergattern und ein bisschen Geld zu sparen. Das ist menschlich verständlich, aber das sind natürlich die völlig falschen Anreize, die wir hier als Stadt setzen. Das ist das Prinzip Zufall, und das ist nicht mein Anspruch. Und das sollte auch nicht unser Anspruch als Landeshauptstadt sein.

Wir brauchen eine Tarifstruktur, bei der Parkhauspreise und Straßenrandpreise intelligent aufeinander abgestimmt sind. Nur so können wir wirklich steuern und Parksuchverkehre bestmöglich vermeiden. Den Plan dafür wird uns das Parkraummanagementkonzept liefern, aber der Plan nützt uns nichts ohne Zugriff.

Denn aktuell sind es eben meist private Unternehmen, die die Parkhauspreise festlegen. Und solange die Rendite stimmt, gibt es dort naturgemäß nur sehr begrenztes Interesse an übergeordneten verkehrspolitischen Zielen. Das ist nicht verwerflich, das passt aber halt nicht zusammen mit dem, was wir als Stadt wollen.

Anrede,

Diesen Schlüssel kriegen wir also nur in die Hand, wenn wir auch die Parkhäuser in die Hand kriegen.

Zum Schlüssel Nr. 2:

Neben den Besuchern unserer Innenstadt müssen wir verstärkt auch Anwohnerinnen und Anwohner in den Blick nehmen. Die Parkhäuser sind nachts noch leerer als tagsüber, einige sind auch einfach geschlossen. Währenddessen drehen sich draußen die Anwohner im Kreis: So hat das Amt für Stadtforschung und Statistik beispielsweise für das Äußere Westend erhoben, dass mehr als die Hälfte (52 Prozent) jeden Tag mindestens eine Viertelstunde für die Parkplatzsuche aufwendet. Gleichzeitig sagen 80 Prozent der Befragten, dass sie durchaus bereit wären, für einen Nachtparkplatz in einem Parkhaus oder einer Quartiersgarage Geld zu bezahlen.

Auch hier müssen wir feststellen, dass der freie Markt es in weiten Teilen nicht geschafft hat, die vorhandene Nachfrage und das vorhandene Angebot zusammenzubringen. Aus der Perspektive der großen privaten Parkhausbetreiber ist das verständlich und legitim: Wenn ich europaweit mehrere Hunderttausend Stellplätze verwalte, haben die speziellen Bedürfnisse von Wiesbadener Innenstadtbewohnern möglicherweise nicht den allergrößten Stellenwert. Für uns als Stadt haben sie aber sehr wohl eine Priorität! Diese Potenziale wollen wir für unsere Bürgerinnen und Bürger heben, aber das geht eben nur, wenn wir den entsprechenden Zugriff haben.

Anrede,

Auch diesen Schlüssel bekommen wir also nur, wenn wir auch die Parkhäuser in unserer Hand haben.

Zum Schlüssel Nr. 3:

Die Landeshauptstadt Wiesbaden tut viel für die Attraktiverung der Innenstadt, und es gibt große Einigkeit, diese Anstrengungen noch zu verstärken. Dafür nehmen wir auch einiges Geld in die Hand, und das ist auch richtig so. Jeder, der in der Innenstadt ein Parkhaus betreibt, profitiert davon finanziell. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass wir uns diese Einnahmen bisher größtenteils von privaten Firmen abschöpfen lassen. Denn langfristig sind wir auf zusätzliche Einnahmen angewiesen, wenn wir den ÖPNV weiter ausbauen und die Fahrpreise vergünstigen wollen.

Am aktuellen ESWE Wirtschaftsplan ist das schon sichtbar geworden – und die größte Maßnahme steht ja erst noch bevor: Wir haben hier im September 2018 beschlossen, als erste deutsche Stadt das 365-Euro-Ticket für alle einzuführen. Dieses Ticket wird mit Sicherheit eine Vielzahl von Menschen motivieren, öfter aufs Auto zu verzichten. Den Parkdruck werden wir dadurch entschärfen können, aber das Ticket muss natürlich dauerhaft auskömmlich finanziert werden. Vorbild könnte hier Wien sein, dort gibt es die Querfinanzierung vom Parken zum 365-Euro-Ticket bereits – und das mit großem Erfolg. Diesen Schlüssel – Erhöhung unserer Einnahmen – kriegen wir ebenfalls nur dann in die Hand, wenn wir auch die Parkhäuser in die Hand kriegen.

So erstrebenswert das ist, so klar ist auch: Die Rückholung unserer Parkhäuser werden wir nicht von heute auf morgen umsetzen können. Verträge sind Verträge, und einige davon laufen noch eine ganze Weile, da kommen wir so schnell nicht ran. Jede Menge rechtliche, wirtschaftliche und verkehrliche Fragen sind noch zu lösen. Auch ist es notwendig, eine professionelle, handlungsfähige Organisationsstruktur aufzubauen. Wir dürfen aber angesichts der Größe der Aufgabe nicht verzagen.

Mir ist wichtig, dass wir hier und heute beginnen, den Schalter umzulegen. Das, was sich in den vergangenen Monaten als „common sense“ herauskristallisiert hat, gilt es jetzt in Beschlussform zu gießen, damit keine weiteren Fakten in die falsche Richtung geschaffen werden, die uns später auf die Füße fallen. Deshalb halten wir es für den richtigen Zeitpunkt, heute diesen Antrag zu stellen.

Das Lied von Herbert Grönemeyer schließt übrigens mit den Zeilen:

„Es ist nicht zu fassen / Solche Automassen / Haben die kein Zuhause?“

Automassen haben wir tatsächlich in der Stadt, da müssen wir ganz klar die Alternativen stärken und so diese Massen etwas vermindern, aber da sind wir mit dem Luftreinhalteplan und der Arbeit von Andreas Kowol auf einem guten Weg. Und für diejenigen Autofahrer, die weiterhin aufs Auto angewiesen sind, müssen wir dieses „Zuhause“ eben anbieten, und das sollte im Idealfall eher das Parkhaus sein und eher nicht der sowieso schon knappe öffentliche Raum.

In diesem Sinne freue ich mich, dass SPD und CDU sich unserem Setzantrag angeschlossen haben und freue mich genauso, wenn weitere Fraktionen das tun. Lassen Sie uns auch beim Thema Parken die nötigen Schlüssel zurück in die städtische Hand holen, damit wir wirklich steuern können – und nicht mehr nur zuschauen was andere machen und dabei hoffen, dass es irgendwie gut geht.

Um das Thema final behandeln zu können, bitten wir um Überweisung in den Beteiligungsausschuss zur abschließenden Beschlussfassung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

*) Die 3 Parkhäuser, die zumindest einmal pro Woche voll sind: Markt, Karstadt, Theater