14. September 2017

Christiane Hinninger zu „Volle Beitragsfreiheit für Eltern und Entlastung der Kommunen bei Kitagebühren“, Antrag der SPD-Fraktion am 14. September 2017

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

das Thema Kinderbetreuung und die künftige Gestaltung der Elternbeiträge zur Finanzierung ist viel zu wichtig, um es hier im Wahlkampfmodus zu zerreden. Aber ein genauer Blick auf die Anträge zeigt – wie auch viele Redebeiträge bisher – dass wir es damit zu tun haben. Der Ursprungsantrag der SPD kommt mit einer überzogenen Kritik an der Landesregierung daher: Da ist die Rede davon, dass die Hess. Landesregierung ein weiteres Mal das Vertrauen in die Politik beschädige, von der Unkenntnis oder von untauglichen Finanzierungsmodellen.

Und der Replik der CDU wiederum geht es hauptsächlich darum, das Vorhaben der Landesregierung in einem strahlenden Licht erscheinen zu lassen und kritische Überlegungen zuzudecken. Beides dient nicht der Sache! Worum wir uns bemühen sollten, ist eine sachliche Debatte und einen Umgang mit dem Thema, das den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere den Wiesbadener Kita-Eltern dient. Deshalb zu den Fakten:

  • Ja, es wurde davon gesprochen, dass die Elternbeiträge für die Elementarstufe abgeschafft werden sollen – für eine 6-stündige Betreuung pro Tag.
  • Ja, der ermittelte Durchschnittssatz von 136.- Euro, den die Landesregierung erstatten will, liegt unter den aktuellen Wiesbadener Elternbeiträgen von 160.- Euro im Ganztag.
  • Ja, zur Teilfinanzierung soll in den Topf des Kommunalen Finanzausgleich gegriffen werden und dies ohne ausreichend mit den Kommunen gesprochen zu haben.
  • Und ja, es ist schwer zu begründen, warum nur Eltern mit Kindern in der Elementarstufe in den Genuss einer Beitragsbefreiung bzw. -reduzierung kommen sollen. Eltern mit Kindern in der Krippe zahlen schließlich die höchsten Beiträge.

Anrede,

wir Grünen bekennen uns zu dem Ziel, die frühkindliche Bildung in der Kita als einen Teil des Bildungssystems beitragsfrei zu stellen. Aber angesichts des Finanzvolumens, das dafür nötig ist, ist es doch auch klar, dass wir dieses Ziel nicht in einem Schritt erreichen können.

Und wenn wir uns mal ein wenig näher mit dem Plan der Landesregierung beschäftigen, dann sehen wir, dass bezogen auf die Beiträge auch die Stadt Wiesbaden tatsächlich eine Entlastung erhalten wird. Denn zum einen beabsichtigt die Landesregierung, die 136.- Euro pro Monat für jedes Kind in der entsprechenden Altersstufe zu zahlen, nicht nur für die Kinder, die tatsächlich eine Kita besuchen.

Und zum anderen wird auch für die gezahlt, die bereits jetzt von den Beiträgen ganz oder teilweise befreit sind, bei denen die Stadt also durch den Wegfall der Beträge gar keinen Einnahmeausfall haben kann. Hier übernimmt das Land, z.B. für SGB II-Bezieherinnen und -Bezieher künftig quasi 85% der Kita-Beiträge, Geld, das bisher von der Stadt getragen werden musste. Und da wir in Wiesbaden eine gute, soziale Staffelung der Beiträge haben, kommt hier ein ganz erheblicher Betrag zusammen.

Betrachten wir nur die künftigen Einnahmen aus der avisierten Landesregelung sowie den Wegfall der Eltern-Beiträge, so bleibt untern Strich ein Plus von mehreren Millionen Euro bei der Stadt.

Aber natürlich darf man hier nicht übersehen, dass die Hälfte der Mittel aus dem KFA genommen werden soll, die Kommunen also die Hälfte des Geschenks selbst bezahlen sollen. Ich sage klar und deutlich: Dies ist nicht akzeptabel, schon gar nicht mit Blick auf die bisher fehlende Kommunikation des Landes mit den hessischen Kommunen und ihren Verbänden. Auch der Hinweis darauf, dass das Volumen des KFA´s steigt, ändert daran nichts. Schließlich ist diese Steigerung mit Blick auf die finanziellen Belastungen der Städte und Gemeinden schon früher als notwendig erkannt worden, bevor über eine (teilweise) Abschaffung der Kita-Gebühren gesprochen wurde. Dass hier erst den Kommunen Luft verschafft wird, die Landesregierung dann aber bestimmt, was mit dieser Luft beatmet werden soll, konterkariert die in vielen Reden besungene kommunale Selbstverwaltung erheblich.

Anrede,

es zeigt sich,

  1. dass dem Thema mit schwarz-weiß-Malerei nicht beizukommen ist. Es gibt viele Aspekte zu berücksichtigen. Über die genannten Punkte hinaus wäre bei der schrittweisen Entlastung der Eltern von Kita-Beiträgen auch zu berücksichtigen, dass nicht bestimmte Familienmodelle und Frauenbilder durch eine finanzielle Bevorzugung von Halbtagsangeboten befördert werden. Wie also könnte eine Beitragsreduzierung aussehen, die längere Betreuung nicht diskriminiert und die auch pädagogische Konzepte nicht einschränkt?
  1. Qualitätsvolle Kinderbetreuung im Elementarbereich ist notwendig und richtig. Da sind wir als Stadt Wiesbaden schon ganz gut aufgestellt. Der Fokus muss aber erweitert werden. Wir brauchen hohe Qualität und Quantität von der Krippe bis zum Ende der Grundschulkinderbetreuung. Hier brauchen wir mehr Unterstützung des Landes.
  1. Es zeigt sich weiter, dass die Angelegenheit viel zu komplex ist um ohne ausreichende Klärung entschieden zu werden. Vielmehr bedarf es der gründlichen Diskussion und der Gespräche miteinander, sowohl hier als auch auf beiden Seiten des Schlossplatzes. Wir sollten bei uns, hier in der Stadtverordnetenversammlung damit anfangen, statt Texte mit einseitiger Kritik oder einseitigem Lob zu beschließen. Ich beantrage deshalb, die vorliegenden Anträge in den Ausschuss zu überweisen und rege eine gemeinsame Sitzung des Sozial- mit dem Haupt- und Finanzausschuss an.