10. September 2018

Rede von Christiane Hinninger zur Aktuellen Stunde, zur Biennale, in der Stadtverordnetenversammlung am 6. September 2018

Anrede,

zu Beginn möchte ich Maria Magdalena Ludewig, Martin Hammer und Uwe Eric Laufenberg meinen Dank aussprechen und ihnen zu ihrem Mut und der gelungenen Biennale gratulieren.

Eine Aktion hat nun in besonderem Maße für Aufmerksamkeit und Aufregung gesorgt – die goldene Erdogan-Statue.

Die Wogen sind – insbesondere in der sog. Türkischen Community – hochgeschwappt. Die Auseinandersetzungen waren heftig. So heftig, dass sich der Oberbürgermeister und der Bürgermeister genötigt sahen, die Figur abzuräumen.

Dies mag aus Sicht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine nachvollziehbare Maßnahme gewesen sein, man wird aber auch kritisch fragen dürfen, ob der frühe Zeitpunkt richtig war.

Unabhängig davon ist festzustellen, dass es sich um einen Akt der Zensur handelte – um einen Akt der Selbstzensur der demokratischen, liberalen Gesellschaft vor einer aggressiven, emotional aufgeputschten Auseinandersetzung, die von einer Seite tief nationalistisch eingefärbt war.

Die Erdogan-Statue ist offenkundig von Vielen missverstanden worden. Sie wurde zum Teil als Verherrlichung dieses Despoten gesehen, was einige eingeladen hat, sich im Selfie vor der Figur zu verewigen. Andere, Erdogan-Gegner fühlten sich provoziert. Waren der Meinung, so eine Statue dürfe gar nicht aufgestellt werden.

Die Erdogan-Befürworter lagen wohl etwas näher an der Wirklichkeit, indem Sie die Kritik an „ihrem Führer“ wahrnahmen. Und auch sie waren und sind der Auffassung, dass dies – also Kritik – nicht sein dürfe.

Die Statue hat weder die Spannungen noch die Art und Weise erzeugt, wie diese ausgetragen wurden. Sie hat nur für alle sichtbargemacht, was ist. Sicher, natürlich es gab auch die, die das alles schon längst wussten. Aber was wurde getan, um diese Situation zu verändern, zu verbessern?

Was wurde unternommen, um den offenkundig undemokratischen Haltungen und Ausdrucksformen etwas entgegen zu setzten?

Um die Werte, die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft gegen nationalistische Engstirnigkeit, gegen Konformitätsdruck und Kurzschlüssigkeit zu verteidigen.

Freiheit, auch die Freiheit der Kunst, gehört zu den Grundbestimmungen unserer Gesellschaft. Das Existenzrecht des Andersseins, des Nicht-Diskriminierten, Unbeleidigten, nicht ausgegrenzten Andersseins gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen einer liberalen, aufgeklärten Gesellschaft.

Ganz gleich, ob dieses Anderssein sich im Aussehen, in der Meinung, der Weltsicht, dem Glauben, der sexuellen Orientierung oder auch „nur“ dem Lebensstil zeigt – es gehört zur Grundlage unserer Gesellschaft gehört, dass Unterschiede ausgehalten werden. Ausgehalten werden müssen. Und dieses Postulat gilt für alle, die hier leben.

Gerade darum geht es! Dies ist – jenseits sicherheitspragmatischer Überlegungen – der Kern, für den das Aufstellen einer goldenen Erdogan-Statue nur ein Zeichen ist. Und es geht natürlich darum, sich für die Grundwerte unserer Gesellschaft und ihrer Verwirklichung im Alltag einzusetzen. Gerade in dieser Zeit, der Zeit der Ereignisse in Chemnitz und anderswo.

Und an diesem Punkt, meine Damen und Herren, an diesem Punkt wird die Verlogenheit der AFD deutlich, die die Ereignisse der Biennale zum Vorwand nimmt, um unter dem Deckmantel des angeblichen Eintretens für Kunstfreiheit ihre ausländerfeindliche Botschaft ins Land zu posaunen.

Sie von der AFD sind doch die Allerletzten, die den Kern der Kunstfreiheit, den Kern jeder Freiheit, das Recht auf das Anderssein, auf den Unterschied akzeptieren – und zwar hier bei uns und nicht irgendwo in der Ferne der weiten Welt.

Wenn wir dafür eintreten, dass auch eine Statue im öffentlichen Raum stehen darf, die Despoten wie Erdogan der Diskussion Preis gibt, ihn kritisiert und verspottet, dann sagen wir auch, dass wir engstirnigem Nationalismus eine Absage erteilen – gleich welcher Nation er ist.