14. November 2019

Rede von Christiane Hinninger zur Generaldebatte zum Haushaltsplan 2020/2021 in der Stadtverordnetenversammlung am 14. November 2019

Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede,

mit der heutigen Generaldebatte biegen wir auf die Zielgerade des Doppelhaushaltes 2020/21 ein, den wir in der nächsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung verabschieden wollen.

Ein gewaltiges Arbeitspensum liegt hinter uns – und wenn ich uns sage, dann meine ich hier alle die an diesem Zahlenwerk in den letzten Monaten mitgearbeitet haben. Bei den Anmeldungen, der Aufstellung des Haushaltes, den vielen Nachträgen, den kursorischen Lesungen bis zu den Beratungen im Haupt- und Finanzausschuss und noch bis zur endgültigen Verabschiedung im Dezember.

Deshalb möchte ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung, insbesondere natürlich der Kämmerei, für die geleistete Arbeit und auch für die Geduld danken, mit denen sie unsere Nachfragen als Stadtverordnete beantwortet haben. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionsgeschäftsstellen, für die die Zeit der Haushaltsberatungen auch eine erhebliche zusätzliche Aufgabe darstellt.

Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen im Stadtparlament für die engagierte, aber doch auch sachliche Beratung und besonders an den Ausschussvorsitzenden, Herrn Stephan Belz, für die souveräne Leitung.

Anrede,

mit dem Haushalt stecken wir den – finanziellen – Handlungsrahmen ab, in dem der Magistrat arbeitet und in dem wir gemeinsam auf die Aufgaben und Herausforderungen antworten, vor denen unsere Stadt steht.

Das Haushaltsvolumen ist erneut gestiegen – schon der Entwurf des Kämmerers belief sich auf rd. 1,3 Mrd. Euro pro Jahr. Hierin und vor allem auch in den Zusetzungen, die wir in den Ausschussberatungen beschlossen haben, spiegeln sich diese großen Herausforderungen.

Viele Themen haben wir in den vergangenen Monaten und Jahren bereits intensiv diskutiert und haben Beschlüsse dazu gefasst. Deshalb war es eine logische Konsequenz für den Haushalt, diese z.T. weitreichenden Beschlüsse prioritär mit den notwendigen Finanzmitteln zu unterlegen. Und nicht zuletzt war dies auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit.

  • Dies gilt insbesondere für das Maßnahmenpaket zur Vermeidung des Dieselfahrverbotes. Hier sind ganz erhebliche Mittel erforderlich und hier sind wir beim Verwaltungsgericht und natürlich bei den Bürgerinnen und Bürgern im Wort.
  • Zu den großen Herausforderungen zählt selbstverständlich auch der Klimawandel. Wir erleben längst die negativen Folgen ganz konkret und es sind entschiedene Maßnahmen zur Begrenzung des und zur Anpassung an den Klimawandel erforderlich.

Andere große Aufgaben laufen schon über mehrere Haushaltsjahre und sind ebenso von großer Bedeutung für unsere Stadt:

  • Der Ausbau der Kinderbetreuung, für den ambitionierte Zielgrößen festgelegt haben und
  • das Dauerthema Schulsanierung

verlangen uns große Anstrengungen ab. Aber – hier sind wir uns vermutlich einig – Investitionen in Bildung, insbesondere auch in frühkindliche Bildung, sind ebenso notwendig wie gesellschaftlich lohnend.

Anrede,

um diese Schwerpunkte und weitere Maßnahmen zu finanzieren, wurden über die Anträge der Kooperation und der anderen Fraktionen zusätzlich allein für den Ergebnishaushalt, Mittel in Höhe von 143 Mio. Euro für beide Haushaltsjahre zugesetzt.

Bei den Investitionen belaufen sich die Zusetzungen auf knapp 80 Mio. Euro für die beiden Haushaltsjahre.

Bis es aber soweit war, gab es viel zu tun und viele Entscheidungen zu treffen, die oft nicht leichtgefallen sind. Um die geplanten Programme und Einzelmaßnahmen umzusetzen und um die gestiegenen Anforderungen aus der Bürgerschaft an die Verwaltung bewältigen zu können, werden mit dem Haushalt rd. 200 neue Stellen geschaffen. Hierin ist auch das neue IT und Organisationsamt enthalten.

200 erscheint als eine hohe Zahl – angesichts von über 500 Stellenanmeldungen aus den verschiedenen Dezernaten wird aber deutlich, dass bei weitem nicht alles erfüllt werden kann, was wünschenswert und auch sinnvoll ist.

Anrede,

auf der Einnahmenseite verbuchen wir die Zuweisungen des Landes aus dem KFA und dem Programm ‚starke Heimat‘.

Über dieses Programm haben wir schon hier im Hause debattiert. Dabei haben wir begrüßt, dass das Land Kinderbetreuung, Digitalisierung oder die Schulen fördern möchte. Es bleibt aber auch bei der Kritik, dass dafür letztlich kommunales Geld genommen wird.

Auch für den Kommunalen Finanzausgleich gilt, dass – um es freundlich auszudrücken – nicht immer alle Wendungen im Verteilmechanismus nachvollziehbar sind. Immerhin erhalten wir aus dem KFA für 2020 eine Rekordsumme, nämlich 233,5 Mio Euro.

Anrede,

ein weiteres Thema, das uns schon seit einiger Zeit beschäftigt, sind die Überleitungsmittel.

Diese betrugen in den letzten Jahren allein im CO bis zu 60 Mio. Euro im Jahr. In IM sind es auch mal 140 Mio. Die konkreten Zahlen für 2019 werden erst im Frühjahr bekannt sein, aber es ist absehbar, dass sie wieder ganz erheblich sind.

Hier besteht nach wie vor ein Problem der Transparenz, weswegen wir zum letzten Haushalt beschlossen hatten, dass die Überleitungsmitteln rechtzeitig vor den Haushaltsberatungen zur Prüfung und ggf. erneuten Beschlussfassung vorzulegen sind. Sicher ist es so, dass es in vielen Fällen gute Gründe gibt, warum zur Verfügung gestellte HH-Mittel nicht abfließen. Aber schon allein, um Hindernisse für beschlossene Maßnahmen aus dem Weg zu räumen, müssen wir als Stadtverordnete diese Gründe kennen. In anderen Fällen mag es sinnvoll sein, Maßnahmen zu strecken oder auch Mittel, die schon mehrfach übergeleitet sind, zu streichen.

Hier haben aber auch wir noch Hausaufgaben zu erledigen und ein klares Verfahren zu definieren. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam einen Weg finden, die Zuständigkeit der Stadtverordneten für den Haushalt einerseits und die erforderliche Flexibilität der Verwaltung andererseits zu gewährleisten. Dass dies möglich ist, zeigt sich am Beispiel des Kassenwirksamkeitsprinzips, dass wir jetzt über den Bereich der Schulbauinvestitionen hinaus auf alle Investitionsmaßnahmen ausweiten wollen.

Anrede,

ich möchte noch auf einige Einzelbereiche des kommenden Haushaltes, die aus grüner Sicht besonders wichtig sind, detaillierter eingehen.

Wiesbaden ist auf dem Weg zur Verkehrswende und der kommende Haushalt wird uns hier ein gutes Stück voranbringen. Das notwendige Umsteuern auf eine zukunftsfähige Mobilität führt zur Verbesserung der Luftqualität und wird den Verkehrslärm vermindern, d.h. – es wird die Lebensqualität in unserer Stadt verbessern. Vor dem Hintergrund des drohenden Dieselfahrverbots ist dies wirklich mal eine Politik, die alternativlos ist.

Anrede,

Keine Großstadt in Hessen hat einen so ambitionierten Kurs in der Verkehrspolitik eingeschlagen wie Wiesbaden. Das finden Sie mit fast 100 Millionen in diesem Haushalt auch abgebildet.

Davon werden für ESWE Verkehr als modernem Mobilitätsdienstleister pro Jahr 30,3 Mio. über die WVV bereitgestellt und aus dem HH zusätzlich in 2020 8 Mio. und in 2021 26 Mio.

Damit kann die Anschaffung von 110 Elektrobussen bis Ende 2020 voll finanziert werden. Insgesamt ist die Anschaffung von 220 E-Bussen geplant.

Ganz vorne steht für uns das 365-Euro-Ticket, mit dem alle Wiesbadenerinnen und Wiesbadener Bus und Bahn in der RMV-Wabe 65 für einen 1.- pro Tag nutzen können. Hier zeigt sich, dass Verkehrswende, Klimaschutz und eine soziale Politik zusammengehören.

Jetzt sind Bund und Land am Zug. Wenn sie ebenfalls ihren Beitrag leisten, können wir das Ticket voraussichtlich am 1.1.2021 einführen.

Mit dem neuen Haushalt werden wir auch die weiteren Mobilitätsleistungen z.B. Fahrradverleihsystem, Car Sharing und viele mehr, nicht zuletzt auch die Förderung der Elektromobilität, fortsetzen bzw. weiterentwickeln können.

Für den Radwegebau werden die 10 Euro pro Einwohnerin und Einwohner festgeschrieben und nicht mehr vollständig aus dem Garagenfond finanziert.

Für Fußgängersicherheit und Verkehrsberuhigung stehen in den kommenden beiden Jahren Gelder zur Verfügung.

Und last but not least stehen für die Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans 240.000 Euro pro Jahr zur Verfügung.

Um die vielen Maßnahmen umsetzen zu können, werden die notwendigen Stellen bewilligt u.a. für das Radverkehrsbüro, die Stabsstelle Mobilitätskonzepte oder für den Masterplan Green City.

Anrede,

auch für das drängende Thema Klimaschutz haben wir die finanzielle Basis für eine erfolgreiche Stadtpolitik gelegt.

Nach der eher ernüchternden Klimabilanz der vergangenen Jahre und der Prognose, dass die Klimaschutzziele der Stadt für 2020 nicht erreicht werden können, haben wir die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Klimaschutzpolitik deutlich verbessert: Im neugeschaffenen Klimaschutzfonds werden im Haushalt 5 Mio. Euro und damit ein Mehrfaches der vorangegangenen Jahre – zur Verfügung gestellt.

Zur Umsetzung werden zusätzliche Stellen im Umweltamt für die Entwicklung von Klimaschutzkonzepten und -management, für den Ausbau des betrieblichen Umwelt- und Klimaschutzes, für klimaschonende Mobilität und für Klimagutachten zu Bebauungsplänen geschaffen.

Eine besondere Bedeutung liegt in der Entwicklung einer Anpassungsstrategie, um auf die bereits eingetretenen Folgen des Klimawandels zu reagieren.

Klimaschutz ist aber nicht nur eine Aufgabe des Umweltamtes. Klimaschutz ist eine Aufgabe aller Bereiche der Stadtverwaltung, entsprechend des Stadtverordnetenbeschlusses zum Klimanotstand. Wir erwarten, dass alle ihren Beitrag leisten, weil nur so der nötige Erfolg zu erzielen ist.

Insbesondere sind auch die städtischen Gesellschaften – allen voran ESWE Versorgung – gefragt, ihre entsprechenden Aktivitäten auszuweiten und bündeln. Erste positive Signale sind hier zu hören.

Wichtig ist uns angesichts des fortschreitenden Artensterbens auch die Stärkung des Naturschutzes in Wiesbaden. Daher wurden die Gelder zur Entwicklung der kommunalen Biodiversitätsstrategie erhöht und das Personal auch in diesem Bereich aufgestockt.

Anrede,

Neben der zunehmenden Hitze im Sommer lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels vor allem an den Bäumen beobachten. Rapide nimmt der Fichtenbestand im Stadtwald ab und zunehmend sind auch andere Baumarten betroffen. Schon jetzt müssen wir für Aufforstung fast eine halbe Million Euro zusätzlich bereitstellen und kommen damit nicht nur der gesetzlichen Verpflichtung nach, sondern erhalten auch die wichtige Klimaschutzfunktion unseres Waldes.

Die Auswahl der nachzupflanzenden Bäume wird unter dem Gesichtspunkt der Klimaanpassung vorgenommen. Ähnliches gilt auch für Park- und Straßenbäume, die für das Stadtklima von großer Bedeutung sind. Zum Ende der aktuellen Pflanzperiode werden die aufgelaufenen Fehlstellen früherer Jahre abgearbeitet sein. Zur Bewältigung neuer Fehlstellen und der zunehmenden Schädigungen der Straßenbäume wird das Programm mit 1,5 Millionen Euro fortgesetzt.

Im Zusammenhang damit möchte ich auch darauf hinweisen, dass 200.000 Euro pro Jahr als Komplementärmittel für die weitere Beteiligung im Städtebauförderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ zur Verfügung stehen werden.

Anrede,

Spielplätze haben gerade in den verdichteten Stadtteilen eine wichtige Funktion. Hier hatten wir schon im letzten Doppelhaushalt Schwerpunkte gesetzt. Viele Spielplätze konnten neugestaltet und eine Vielzahl von alten und defekten Spielgeräten im gesamten Stadtgebiet erneuert werden. Im kommenden Doppelhaushalt werden wir hier die Schlagzahl hochhalten: Insgesamt stehen vier Millionen Euro für die Neugestaltung von Spielplätzen und die Ersatzbeschaffung zusätzlich zur Verfügung.

Um die Leistungsfähigkeit beim Grünflächenamt zu erhöhen und mit den wachsenden Aufgaben Schritt halten zu können, werden auch hier neue Stelle geschaffen, mit einem Schwerpunkt bei Planung und Realisierung von Spielplätzen und Grünanlagen sowie im Forst.

Anrede,

seit Jahren setzen wir uns für die regelmäßige Förderung der vielen Frauenprojekte und -initiativen in Wiesbaden ein. Für den Haushalt 2020/2021 haben wir auch hier durchgängig eine Erhöhung erreicht.

Pro Familia kann tarifbedingte Kostensteigerungen durch einen erhöhten Personalkostenzuschüsse und abdecken (47.790 Euro in 2020/CO, 69.900 Euro in 2021/CO).

Und auch die Förderung für das „WIF – Begegnung & Beratung“ sowie für das Frauenmuseum wird erhöht.

Neu aufgenommen haben wir die Förderung der Wiesbadener Aktivitäten von „Social Business Women e.V.“ mit 90.000 Euro pro Jahr. Der Verein unterstützt Frauen bei ihren Gründungsideen oder Bildungsvorhaben.

Die Servicestelle Hebammen erhält zusätzlich 40.000 Euro pro Jahr und kann damit unter anderem ihre Telefonsprechstunden ausweiten.

Und schließlich:  halbe Personalstelle der LSBT*IQ-Koordinierungsstelle wird auf eine Vollzeitstelle ausgeweitet.

Last but not least zur Kulturpolitik: Mit dem neu eingerichteten Kulturbeirat haben wir eine Intensivierung der Diskussion erreicht und auch eine neue Art der Vorbereitung der Haushaltsberatungen. Die Kooperationsfraktionen haben sich mit dem Kulturhaushalt auf der Basis der Empfehlungen des Kulturbeirates befasst. Auch hier konnte nicht jeder Wunsch erfüllt werden. Insgesamt aber wurde eine deutliche Steigerung erreicht und die Arbeit der Institutionen und Kulturschaffenden in unserer Stadt abgesichert. Die konstruktive Arbeit aller Beteiligten macht Mut für die Zukunft.

Anrede,

mit dem Haushalt 2020/21 begegnen wir den vor uns liegenden Herausforderungen und schaffen die Grundlage für mehr Klimaschutz, die Fortsetzung der Verkehrswende, für weitere Schulsanierungen, den Ausbau der Kinderbetreuung, für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes und für mehr Sicherheit. Dies alles kostet Geld, viel Geld, aber es ist gut und richtig angelegtes Geld, denn wir schaffen damit auch mehr sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt.

Insgesamt bauen wir damit einen Haushalt, der sich gerade auch mit Blick auf die gesellschaftspolitischen Anforderungen sehen lassen kann und der doch auch gute Aussichten auf die Genehmigung durch das Innenministerium hat.

Vielen Dank für ihre Aufmerk