14. September 2017

Claus-Peter Große zu „Parkraummanagementkonzept“, am 14. September 2017

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

wir alle erfreuen uns an den Fotos des „alten“, des „mondänen“ Wiesbaden und wir merken: irgendwas ist da anders. Und dann fällt uns ganz bewusst auf: da gibt es keine Autos, Architektur und Städtebau kommen voll zur Wirkung.

Tatsächlich führt uns das zu der Frage: Wie wollen wir den öffentlichen Raum in den Städten nutzen? Soll er weiterhin ganz überwiegend als Abstellraum für Autoblech dienen oder wollen wir ihn als Lebensraum für alle gestalten? Eben in seiner ganzen Vielfalt: als Verkehrsfläche, als Raum für Bewegung und Begegnung mit viel mehr Spiel- und Verweilmöglichkeiten und mit erfrischendem Grün ?

Gleichzeitig stehen wir auch ganz praktisch und jeden Tag vor der Frage, wie wir dem überbordenden Parksuchverkehr und den aggressiven Falschparkern Herr werden.

Meine Damen und Herren, die Kooperation hat sich zum Ziel gesetzt, das Parkproblem auf effizientere Weise anzugehen: mit der Entwicklung  eines zeitgemäßen, ja zukunftsweisenden Parkraummanagementkonzepts. Kaum ein Bereich in der Verkehrs- und Stadtentwicklung kann die Lebensqualität, Verhaltensänderungen und den Umstieg auf nachhaltigere Verkehrsmittel so positiv beeinflussen wie die Parkraumbewirtschaftung.

Allerdings wird in der öffentlichen Debatte selten rational über das Thema Parken diskutiert. Deswegen lohnt es sich, zunächst einmal einen Blick auf die Fakten und die Erfahrungen anderer Städte zu werfen, um eine intelligente und nachhaltige Verkehrspolitik für unsere Stadt zu entwickeln:

  • Öffentlicher Raum hat aus sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Sicht einen höheren Wert für die Stadt und ihre Menschen, wenn er für etwas anderes als kostenloses Parken genutzt wird. Diese an sich simple Tatsache ist bei vielen längst aus dem Bewusstsein gerückt. Daher müssen wir uns neu klar machen, welche flächenmäßige und finanzielle Bevorzugung wir dem Auto heute noch einräumen! Wie viele andere knappe gemeinschaftliche Güter sollte daher der öffentliche Straßenraum konsequent durch gestaffelte Erhebung eines Preises bewirtschaftet werden. Genau das leistet ein Parkraummanagement.
  • Parkraummanagement trägt zur häufigeren Nutzung des Umweltverbunds (ÖPNV, Radfahren, zu Fuß gehen) und damit zu höherer Lebensqualität bei. Das konnte beispielsweise in München gezeigt und beobachtet werden.
  • Parkraummanagement führt zu weniger Parksuchverkehr, weil die Kapazitäten transparent werden, was sich natürlich in Zeiten des Navi (und des Smartphones) hervorragend darstellen lässt. Hier macht auch die Prüfung eines digitalen Vefügbarkeitssystems Sinn.
  • Parkraummanagement hat ein gutes Wirkungs-Akzeptanz-Verhältnis. Das gilt selbst bei Restriktionen, da die Anwohnerinnen und Anwohner nach kurzer Zeit den Benefit des neu gewonnenen Platzes in ihrem Quartier erkennen, wie ein Beispiel aus Wien deutlich gezeigt hat.
  • Parkraummanagement trägt zur Verkehrssicherheit bei, weil es Parksuchverkehr vermindern kann und weil es mit einer gezielten Überwachung einhergeht – so werden gefährliche Situationen wie zugeparkte Radwege vermieden. Striktes Vorgehen gegen Parkverstöße ist daher notwendig – und keine Schikane gegen Autofahrer.
  • Aus der Veröffentlichung der Forschungsgesellschaft Mobilität von 2015 geht hervor: Parkraummanagement vernichtet nicht die traditionellen Geschäfte, sondern es fördert die lokale Wirtschaft. Parken in einer reizvollen Stadt ist für erfolgreiche Geschäfte nicht so wichtig, wie Inhaber denken. Parken spielt eine Rolle, ist aber nicht der wichtigste Faktor. Wir wissen doch längst: Menschen, die zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, gehen häufiger und in mehr Geschäfte als Menschen, die mit dem Auto kommen. Ohne Parkraummanagement werden die Parkplätze vor den Geschäften häufig von Langzeitparkern (übrigens nicht selten den Ladenbesitzern selbst) genutzt und stehen so nicht den Kunden zur Verfügung. Wir wollen uns in diesem Zusammenhang dem Thema „Brötchentaste“ und ähnlichem nicht verschließen und dies mitprüfen.
  • Wichtig für den Erfolg des Parkraummanagements sind angemessene Gebühren, Preise und geeignete Ordnungsgelder. Langfristige Investitionen in Parkhäuser (öffentliche wie private) und quellnahe Park-and-Ride-Plätze werden wohl unumgänglich sein. Straßenparkgebühren mit Lenkungseffekt zum Parken in Parkhäusern werden den Parksuchverkehr reduzieren und gleichzeitig Parkhäuser wettbewerbsfähiger machen. Dies ist auch eine wichtige Strategie in Verhandlungen mit privaten Investoren über den Bau von Parkhäusern. Speziell für Wiesbaden gilt: um ein lenkendes und parkdrucksteuerndes verkehrspolitisches Instrument zu erzeugen, brauchen wir den direkten Zugriff auf die Parkhäuser! Diese müssen daher so schnell wie möglich in städtische Hand zurückgeführt werden. Positiver Nebeneffekt: im Rahmen von Parkraummanagement könnten städtische Einnahmen zweckgebunden dafür genutzt werden, um nachhaltige Mobilität zu finanzieren.

Meine Damen und Herren,

ich denke es ist klar: Parkraummanagement ist kein Selbstzweck. Es ist eine verkehrsplanerische Maßnahme, die im Einklang mit den entwicklungs- und klimapolitischen Zielen unserer Stadt steht. Dazu einige Anmerkungen:

  • Eine abgestufte flächendeckende Parkraumbewirtschaftung startet zuerst bei den Flächen mit dem größten Parkdruck, somit in der Innenstadt und den innenstadtähnlichen Bereichen. Dabei wird das prinzipielle Ziel verfolgt, ruhenden Autoverkehr von der Straße in die Parkhäuser zu lenken. Von daher rennt der Antrag von BLW-FW aus dem Juni bei uns offene Türen ein.
  • Es geht aber nicht nur um die PKW, sondern auch darum, wie der Lieferverkehr in der Stadt organisiert werden kann. Das Chaos durch Parken in zweiter bis dritter Reihe und auf Bus- und Radwegen muss beendet werden! Umgekehrt müssen planmäßige Angebote entstehen, auch um den Lieferservice für Unternehmen kalkulierbar zu machen. Dass Unternehmen dabei zunehmend schon von sich aus auf kleinteilige Elektro- und Lastenradlösungen setzen, unterstützt die Bemühungen der Stadt.
  • Bei dieser Gelegenheit möchten wir auch die Praxis des Bewohnerparkens überprüfen. Ist dort alles auf dem aktuellen Stand oder gibt es neuere Entwicklungen?
  • Die Einführung einer ESWE-Mobilitätskarte schafft ein ganz neues Element, das Bezahlmöglichkeiten für Parkplätze mit der Bereitstellung anderer Mobilitätsarten kombiniert. Wer außerhalb der City günstig parkt kann dann beispielsweise mit dem ÖPNV oder dem Leihrad weiterfahren. Gleichzeitig werden Einnahmen für den künftigen Mobilitätsdienstleister ESWE-Verkehr generiert, wenn Parkplätze auch dort betrieben werden.
  • Unter einer lenkenden Gebührenpolitik macht die Wiederaufnahme von Überlegungen zentraler Parkeinrichtungen wie z.B. Elsässer Platz, evtl. in Kombination mit Teilbebauung, verstärkt Sinn.
  • Baulich neuartige kompakte Parkformen können hier und da ebenfalls eine Lösung sein. Dazu zählt auch der Erhalt von oberirdischen Stellplätzen bei Überbauung ab dem ersten Stock.
  • Verstärkt wollen wir wieder auf Nachtparken in Parkhäusern setzen.
  • Eine intensive Zusammenarbeit mit dem Umland wird das Thema „quellnahe Park and Ride Plätze“ erfordern.
  • Und natürlich; wer attraktive alternative Angebote zur Mobilität hat, muss erst gar nicht Auto fahren und dann parken. Hier entsteht eine Schnittstelle mit dem Verkehrsentwicklungsplan: Stichworte City-Bahn, Carsharing oder das Thema Fahrrad.

Doch ohne Überwachung des Parkgeschehens wird es nicht gehen. Die Durchsetzung der Vorschriften ist unentbehrlich, um rücksichtsloses und gefährliches Parken zu verhindern und dafür zu sorgen, dass das Miteinander alles Verkehrsarten funktioniert. Andere Verkehrsteilnehmer profitieren davon: Einsatzfahrzeuge, Lieferwagen, aber auch der Radverkehr und natürlich Personen mit eingeschränkter Mobilität, die mehr Platz auf dem Bürgersteig brauchen, oder denken Sie nur an den Stress, den Eltern mit Kinderwagen derzeit durchaus auf zugeparkten Bürgersteigen haben.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: wir haben viel vor! Wir wollen den öffentlichen Raum zugunsten der Lebensqualität der Menschen in den Städten neu ordnen. Und wir wollen das tägliche Parkchaos eindämmen. Damit es eines Tages vielleicht doch wieder ein bisschen so aussieht wie auf den alten Fotos, die wir alle so mögen.