26. November 2015

Rede von Karl Braun zu TOP Entwurf der Haushaltssatzung der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Jahre 2016/2017 Generaldebatte in der Stadtverordnetenversammlung am 26. November 2015

Anrede

So viel Chaos bei den Haushaltsberatungen habe ich noch nie erlebt.

Da sich die Koalition intern nicht über Prioritäten einigen konnte, wurden die Ausgaben einfach in allen Dezernaten gleichermaßen um 4,27 % gekürzt, um einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen zu können. Ob in dem ein oder anderen Dezernat besonders viele gesetzliche Aufgaben u.a. mit individuellem Antragsrecht zu leisten sind, wie zum Beispiel im sozialen Bereich, war dabei sekundär.

Zur Berechnung hatte man die erbrachten Leistungen aus dem Jahr 2014 zugrunde gelegt. Wesentliche Kostensteigerungen, z.B. aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder aufgrund von Stadtverordneten-beschlüsse aus 2015 wurden einfach nicht berücksichtigt. Dies führte dazu, dass die Grundlage der Kürzungen schon falsch war.

Für das Amt für soziale Arbeit und das Amt für Grundsicherung und Flüchtlinge bedeutete dies, dass es zunächst hieß, es müssten 11 Millionen Euro eingespart werden, obgleich es in Wirklichkeit um 15,4 Millionen ging.
Vorgelegt wurde dann für die genannten Ämtern ein Entwurf, bei dem im Ergebnishaushalt ein Budgetbedarf von rund 32 Millionen Euro in 2016 und rund 39 Millionen Euro in 2017 bei den sogenannten „weiteren Bedarfen“ landete.
Bedarfe, welche zwar als dringend zu finanzieren erachtet wurden, jedoch trotzdem außerhalb des Dezernatbudgets standen. Unter ihnen z.B.:
– Die Zahlung des Mindestlohns bei der Jugendbetreuung;
– Die Umsetzung des hessischen Kinderförderungsgesetzes,
– Die bereits beschlossenen Tariferhöhung der Beschäftigten und vieles mehr.

Kurz: Es drohte ein sozialer Kahlschlag ungeheuerlichen Ausmaßes, der den sozialen Frieden in Wiesbaden gänzlich zerschlagen hätte.

Ich möchte hier nochmals erinnere

  • An die 65 Ausbildungsplätze der WJW und des Johannesstifts, die wegfallen sollten,
  • An die angedrohten Zuschussmittelkürzungen für die Freien Träger der verschiedenen Bereichen der sozialen Arbeit,
    wie z.B. die Komplettstreichung bei der Lebensabendbewegung oder dem Seniorentreff Adlerstraße
    oder z.B. die Kürzung um 30 % für das bundesweit als Mehrgenerationenhaus beachtete Nachbarschaftshaus in Biebrich, welche dieses in Existenznot gebracht hätte
  • oder aber auch an die drastischen Gebühren-erhöhungen, die den Familien für die Kinderbetreuung angedroht wurden.

Unter dem Druck der Opposition und dem Widerstand der Sozialverbände und der Kirchen wurde dann von Seiten der Koalition nach und nach vielfach zurückgerudert. Die zusätzlichen Millionen aus Zuweisungen vom Bund und Land, die bislang unberücksichtigt blieben, kamen hier zur Hilfe. Einige angedrohte Kürzungen wurden dann kurz vor bzw. während der Fiwi-Sitzungen zurückgenommen. Trotzdem blieben viele Aufgaben im sozialen Bereich nicht finanziert, zu denen wir Anträge gestellt hatten und vor allem der Sache wegen auch gehofft hatten, auf Gehör und Unterstützung der Koalition zu stoßen.

So hätten wir gerne den bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung fortgeführt. Jetzt aber werden die Eltern und Kinder ohne Betreuungsplatz im Regen stehen gelassen. Dies ist nicht nur ein eklatanter Widerspruch zu Ihrem Gerede von Kind und Karriere, sondern steht auch im Widerspruch zu dem Hauptziel ihres eigenen Koalitionsvertrages, den Sie wohl offensichtlich selber nicht länger gewollt sind umsetzen.

Aber auch einen neuen Impuls für das Handlungsprogramm „Alle Chancen für …“, z.B. die Finanzierung eines weiteren Kinder-Eltern-Zentrums in einem Stadtteil mit besonderer Bedarfslage oder den Sozialindex an Kindertagesstätten mit besonderen Bedarfen hatten wir ins Auge gefasst. Schließlich zeigten nicht zuletzt auch die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen, dass hier noch großer Handlungsbedarf besteht. Aber auch hier wurden wir auf ein Neues enttäuscht.

Und ebenso im Bereich der Jugendarbeit folgten Sie aus der Koalition unseren Anträgen in keiner Weise. So lehnten Sie ohne lange Diskussion unsere Anträge, z.B.:
– Für den Erhalt des Zuschusses für Folklore im Garten;
– Für eine bessere Ausstattung des Stadtjugendrings oder
– Für den vielfach auch von Ortsbeiräte geforderte Ausbau der Jugendarbeit vor Ort  einfach ab.

Auch der soziale Wohnungsbau hat bei Ihnen keine besondere Priorität. Der Bestand an sozial gefördertem Wohnraum ist weiterhin im Sinkflug. Allein von 2010 bis 2013 hat sich der Bestand in Wiesbaden um 1000 Wohnungen vermindert. Mit großem TamTam werden dann Neubaugebiete wie z.B. in Nordenstadt präsentiert, wobei Großinvestoren lediglich minimale 15% neuen geförderten Wohnraum schaffen sollen. Die letzte Ausführungsvorlage zum Wohnungsbauprogramm datiert von 2014 und soll gerade mal 114 Wohneinheiten schaffen. In den kommenden beiden Jahren sollen nun lediglich 155 Wohnungen folgen. Das reicht bei weitem nicht aus.

Ich fasse zusammen:

Dem nun vorliegenden Haushalt fehlt im sozialen Bereich eine wesentliche und zentrale Fortführung von Projekten und Maßnahmen, zu denen sie sich in der Vergangenheit ja größtenteils sogar selber bekannt haben, wie z.B. dem erwähnten Ausbau des Handlungsprogramms oder der Schaffung von Betreuungsplätzen. Aber immer dann, wenn es zur Frage der Finanzierung kommt, kneifen sie. Es heißt dann: „Die Erfassung der notwendigen Mittel ist aufgrund der Eckdatenverfügung nicht möglich.“

In unseren Augen liegt das vor allem aber daran, dass Sie die falschen Prioritäten gesetzt haben und gegen unseren Rat und unsere Stimmen Geld bei einzelnen Projekten verschwendet haben.

Einige Beispiele wurden schon genannt.Ich möchte noch eins ergänzen:

Beispielsweise rächen sich hier nun auch die unnötigen Mehrkosten bei der Kita Geschwister-Stock-Platz, die durch die von Ihnen gewollte Tieferlegung entstanden sind. Die Kosten haben sich auf insgesamt 5,2 Mio. € erhöht. So fehlen nun rund 2 Millionen Euro für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, und dass nur, weil Sie die Kita unter der Erde haben wollten.  Die Chance kostengünstige Betreuungsplätze zu schaffen wird hingegen liegen gelassen. So hätte man z.B. bei den Mini-Amigos für 60.000 Euro Investitionszuschuss eine komplette neue Gruppe mit rund 20 Plätzen erhalten können. Das sind pro Platz gerade mal 3.000 Euro. Obgleich in den benachbarten Stadtteilen, insb. Z.B. in Mitte viele Betreuungsplätze fehlen, haben sie die Unterstützung dieser Plätze abgelehnt, da der Bedarf für Nordost nicht gesehen wurde. Ich sage Ihnen aber: Ergreifen sie die Chance so günstig Betreuungsplätze zu schaffen. Und denken sie immer daran: Ein Betreuungsplatz im benachbarten Stadtteil ist besser als gar kein Betreuungsplatz.

Zur guter Letzt möchte ich noch erwähnen, dass einzelne haushaltsrelevante Verpflichtungen, wie z.B. die Umsetzung des hessischen Kinderförderungsgesetzes oder der Leistungsvertrag mit der katholischen Kirche einfach ohne Beschluss an den Magistrat zurückgegeben wurden.  Was das letztendlich konkret für die Kinderbetreuungseinrichtungen bedeutet, blieb im Unklaren. Aber wie soll es denn nun weitergehen mit dem KiföG?  Und: Wollen Sie vielleicht doch die Gebühren erhöhen oder die Betreuungszeiten einschränken?

Kommen dann etwa die angedrohten Mehrkosten bzw. Leistungskürzungen doch noch zum Tragen.

Wir sind jedenfalls mal gespannt, welche Ergebnisse die Struktur AG der Koalition nach der Wahl vorlegen wird. Von einem können Sie dann aber gewiss ausgehen:
Der Widerstand gegen den Sozialabbau ist nun in Wiesbaden erprobt und wird sich ggf. schnell wieder formieren.

Den nun vorliegenden Haushalt lehnen wir aus den genannten Gründen ab.

Vielen Dank