18. Mai 2017

Konstanze Küpper zu „Klimaschutz bei Bauvorhaben“

 Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

auf den ersten Blick wirkt unserer Antrag zum Klimaschutz bei Bauvorhaben banal. Einen fast inhaltsgleichen Antrag hatte die Stadtverordnetenversammlung ja vor fast genau 10 Jahren schon einmal verabschiedet. Als am 10.5.2007 das bekannte Klimaschutzziel 20-20-20 beschlossen wurde, stand als Maßnahme ganz oben auf der Liste: „Energieeffizienz und Energieeinsparung bei Gebäudeneubau und -sanierung“, dicht gefolgt von der Umstellung auf erneuerbare Energien.

10 Jahr später müssen wir eine düstere Bilanz dieses Beschlusses ziehen. Wir haben zwar jetzt ein Klimaschutzkonzept und eine Klimaschutzmanagerin. Wir haben aber nur etwas mehr als die Hälfte des Weges zu weniger Energieverbrauch und zu mehr erneuerbaren Energie geschafft – und es bleiben uns nur noch drei Jahre bis 2020. Kurz: Wir müssen unsere Bemühungen verstärken – neben dem Verkehr insbesondere in den Bereichen Solarenergie und klimaeffizientes Bauen. Auf dieses Ziel hat sich das Bündnis aus SPD / CDU und wir Grüne für die nächsten Jahre geeinigt.

Denn wir haben nicht vergessen, dass Klimaschutz keine intellektuelle Spinnerei oder eine Spielart der Wirtschaftsförderung ist. Klimaschutz ist eine überlebensnotwendige Strategie, unsere Welt, wie wir sie kennen und lieben, unseren Kindern und Enkeln einigermaßen lebenswert zu hinterlassen.

Wie sehr wir in der Pflicht stehen, als wohlhabende Stadt unseren Beitrag zu leisten, zeigen uns nicht nur die rasant steigenden Meeresspiegel oder die vor Dürre hungernden Menschen in Afrika. Es ist die Bundesregierung, die die Latte beim Klimaschutz höher legt: Sie strebt einen klimaneutralen Baubestand bis 2050 an.1 Und das bedeutet: Der Verbrauch von klimaschädlicher Energie im Gebäudebestand muss um 80 % gegenüber 2008 sinken und dann soll der Restbedarf an Energie zur Hälfte aus Erneuerbaren gedeckt werden!

Für uns heißt das: Ein städtischer Neubau oder eine Sanierung sollte schon jetzt die energetischen Anforderungen erfüllen, die über die derzeitigen gültigen gesetzlichen Vorgaben (z.B. EnEV) hinausgehen. Denn diese Gebäude werden ganz sicher in den nächsten 30 Jahren schon aus finanziellen Gründen nicht noch einmal angefasst. Also bauen und sanieren wir doch heute am besten so, dass wir 2050 gelassen entgegen sehen können.

1   https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimaneutraler-gebaeudebestand-2050

Übrigens gibt es auch dazu schon einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahr 2006.2 Schade, dass so wichtige Beschlüsse offenbar ganz leicht in Vergessenheit geraten.

Aber warum kommt Wiesbaden trotz aller schönen Ziele, Beschlüsse und Konzepte nicht voran? Gerade im Baubereich können wir keine konsequente Ausrichtung an den Klimaschutzzielen beobachten. Ein paar Beispiele:

  • Schulen-oder Sporthallendächer sollen saniert werden, ohne die Potentiale zur Erzeugung von Solarenergie zu prüfen. Dabei haben wir doch ein Solarkataster, auf das wir doch zu Recht stolz sind.
  • beim Neubau des RMC kommt sozusagen erst auf den letzten Drücker eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach – und das nur mit Hilfe des Contracting-Modells des ESWE sowie einem erheblichen Zuschuss des Umweltamtes 3
  • es gibt nach wie vor massive Vorbehalte und Falschinformationen auf vielen Ebenen gegen den Passivhaus-Standard – ein Phänomen, das es merkwürdigerweise nur hier in Wiesbaden gibt, den überall im Lande wird erfolgreich nach Passivhausstandard gebaut.

2   StaVo-Beschluss 0660 vom 15.12.2006

3   SV 16-V-36-0020

Offenbar hat es der Klimaschutz im Bau zumindest hier in Wiesbaden schwer. Aber er hat Potential, denn es geht immerhin um

  1. den städtischen Neubau z.B. von Schulen, Sporteinrichtungen, Kitas, aber auch der Wohnungsneubau durch die städtischen Gesellschaften
  2. die Ganz-oder Teil-Sanierung der 357 bestehenden kommunalen Liegenschaften und des Wohnungsbestandes
  3. die Bauleitplanung, also Flächennutzungsplanung und Bebauungspläne, die Vorgaben und Leitplanken für Investoren bilden.

Ich weiß, dass gerade letzteres bei so manchem hier im Raum Bauchschmerzen auslöst. Befürchtet wird, dass Bauvorhaben verzögert und Investoren abgeschreckt werden. Wer aber dann (nur!) auf die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben pocht, der schaue doch in den § 1 des Baugesetzes. Darin heißt es: „die Bauleitpläne sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, zu fördern!“ Eine klarer Auftrag, ergänzt um die Nutzung erneuerbarer Energien und den sparsamen und effiziente Umgang mit Energie allgemein. 4

4   §1 Abs. 6 Nr. 7f des Baugesetzes

Wenn wir also z.B. für alle Bauleitpläne oder bei allen Bauvorhaben ein Energie-und Klimaschutzkonzept gleich mit entwickeln würden: Glaubt hier ernsthaft jemand, dass sich dadurch unsere Bauprojekte verzögern würden? Ich denke, die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir da an anderer Stelle nach den Gründen suchen müssen.

Um unsere Energie-und Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir nicht nur die Bauleitplanung, sondern im Grunde alle Maßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept zum energieeffizienten und klimaschonenden Bauen und Sanieren: Sie sind im Antrag erwähnt: Wir müssen die Erneuerbaren, wie Solarenergie und Erdwärme genauso nutzen, wie die Effizienzpotentiale der Kraftwärmekopplung. Beim Neubau ist -wie ja schon beschlossen Passivhausstandard das Ziel oder zumindest der nächst beste KfW-Effizienzhaus-Standard. Gleiches gilt bei der Sanierung, ob dies eine Total-oder nur eine Teilsanierung ist.

Mit unserem Antrag beauftragen wir den Magistrat, für die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen zu sorgen. Aus unserer Sicht scheint dafür ein klarer Auftrag an die Verwaltung und die städtischen Gesellschaften wesentlich: Es sollte für alle Verantwortlichen in dieser Stadt ganz selbstverständlich sein, die Energie-und Klimaschutzziele bei allen Bauvorhaben mitzudenken, geeignete Maßnahmen zu prüfen und bei Wirtschaftlichkeit die beste Option zu realisieren, wenn sie uns helfen, die Ziele zu erreichen. Dementsprechend fordert unser Antrag auch ein Controlling, um die Wirksamkeit der Maßnahmen nachzuvollziehen.

Je klarer die Stadt definiert, was hier wie gebaut wird oder welche Möglichkeiten zur Produktion von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Quellen bestehen, desto sicherer werden auch Investoren, Architekten und Baugesellschaften in ihren Planungen und Entscheidungen. Dazu gehört es dann auch, Investitionen in Erneuerbare Energien nicht mehr allein bei der Anschaffung sondern über die Lebenszeit eines Objektes zu betrachten, besonders, wenn der umweltfreundlich erzeugte Strom selbst verbraucht wird. Im Wohnungsbau kann sich das dann positiv auf die sog. 2. Miete auswirken und entlastet Mieter wie auch ggf. den Sozialhaushalt.

Ebenso wichtig: Die Fördermöglichkeiten von Bund, Land z.B. über die Kommunalrichtlinie oder Energieversorger in Form von Krediten, Zuschüssen oder Beratung müssen konsequent ausgeschöpft werden.

Schließlich ist zu überlegen, wie sich bei den städtischen Gesellschaften über den Codex guter Unternehmensführung die Ziele Nachhaltigkeit und schonender Umgang mit den Ressourcen bei Energieverbrauch und -produktion verankern lassen.

Das alles sind Impulse, die sich so oder so ähnlich in einem Konzept zum Klimaschutz bei Bauvorhaben wiederfinden können. Unser Antrag ist also ganz und gar nicht banal. Er ist (leider) auch nach 10 Jahren mehr denn je notwendig, wenn wir es mit dem Klimaschutz in Wiesbaden ernst meinen.

Vielen Dank!